Deutsch Amerikanische Freundschaft – Eine Neutralität, die immer brennt

12.07.2018
D.A.F waren revolutionär, weil sie eine Maxime hatten: nichts machen, was es schon mal gab. D.A.F sind immer noch aktuell, weil ihre Texte provozieren, ohne eine Meinung zu diktieren.

Ein Hitlergruß, ein Ausruf: »Deutscher Jihad«, Provokation a la Gabi Delgado. Doch an diesem Mittag in Lyon reagiert keiner. Im Hörsaal »Amphi Roubier« der Universität scheint niemand überrascht von dieser Geste. Das Publikum ist gezielt gekommen um die beiden Herren um die 60 bei einem Panel zu hören. In diesem Rahmen geht das konfrontative Projekt nicht auf.

Ob man es nun Electronic Body Music (EBM), Minimal Elektro oder Industrial nennt, D.A.F. sind die Urväter der härteren Gangart. Mit ihrem bedingungslosen Ansatz, der zackige Rhythmen und Stakkato-Gesang kombinierte, war man nicht nur im legendären Ratinger Hof in Düsseldorf stilprägend.

»Doch Leben heißt Veränderung und wenn man nicht Teil dieser ist, entsteht Angst. Dann mauert man sich ein, damit sich ›bloß kein Neger auf die Couch setzt.‹«

Gabi Delgado
Jürgen Tepel benannte seine Oral-History über den Wave und Post-Punk in Deutschland nach einem ihrer Hits (»Verschwende deine Jugend«); schon damals wollten viele so werden wie Delgado und Robert Görl. »In den Neunzigern kamen die Leute zu mir und sagten wie einflussreich wir für ihren Techno-Sound waren“, so Görl. # Auch die sogenannte Neue Deutsche Härte (wie z.B. Rammstein) ist unmittelbares Erbe der Kompromisslosigkeit, der Provokation und des Tabubruchs, die D.A.F. neben der musikalischen Ebene ausmachten. Nazi-Schick, Homoerotik, BDSM, Fetisch-Sex – Themen, die im allgemeinen Diskurs der Siebziger nicht vorkamen; geschweige denn in der Pop-Musik.

Also nochmal Hitlergruß, anderer Ort, ein Abend vorher: Am 72. Jahrestag der Kapitulation Nazi-Deutschlands, in Frankreich auch »Jour de la Victoire en Europe« genannt, steht die Deutsch Amerikanische Freundschaft auf der Bühne des Szene-Ladens »Le Sucre«. Hier, während des Konzerts, fliegen auch die Hitlergrüße in die Luft während die Band ihren vermutlich größten Hit »Tanz den Mussolini« anstimmt. Derweil sich ein deutscher Journalist sichtlich unwohl fühlt, zumindest sehr irritiert ist, feiert das französische Publikum frenetisch jede Geste, jede Zeile, jeden Beat. Deutsch Amerikanische Freundschaft ist auch nach 40 Jahren kein wenig leiser geworden. Und das kommt immer noch an. 400 Menschen, zwischen 20 und 60 tanzen zusammen; auch wenn sie kein Wort verstehen.

Deutsch Amerikanische Freundschaft
Das Ist DAF
Grönland • 2017 • ab 99.74€
hhv.demag:Habt ihr die Situation am VE-Day, gestern, als seltsam empfunden? Oder ist auch das – am Tag der Niederlage – billigend in Kauf genommen?
Gabi Delgado: Sehr gerne arbeiten wir mit zynisch-provokanten Aussagen und starken Bildern. So funktioniert das ja mit dem Pop. Dass Zeichen der Unterdrückung oder des Bösen zu Ikonen werden. Das beginnt bei Bonny & Clyde, zeigt sich dann auch in Charles-Manson-Shirts. Und der Nazi-Staat ist in gewisser Weise auch ein Pop-Zeichen bzw. kann so benutzt werden. Wir finden es toll – oder zumindest erstaunlich – wie der Kapitalismus in der Lage ist schlussendlich allen Schrecken in Produkte zu verwandeln.

Ihr glaubt, dass die Verletzungen, die durch solche Zeichen in Menschen ausgeübt werden, irgendwann (durch unzählige Wiederholung z.B.) irgenwann passé sind?
Gabi Delgado: Richtig.
Robert Görl: Die werden zerstört. Zeichen verlieren über Zeit an Wert; dessen muss man sich klar werden.
GD: Nehmen wir mal schwarze Hip-Hopper, die aus Gründen der Ablehnung beginnen würden, sich mit dem Hitler-Gruß zu grüßen, dann würde dieser an Wert verlieren.

Naja…
GD: Doch; das schlimmste was man machen kann mit Zeichen ist sie zu erhalten, sie zu tabuisieren. Sprechverbote sind ganz problematisch, Worte bekommen einen Reiz des Verbotenen und verbleiben so nämlich verhaftet in den Ursprungswerten. Durch Spiel, durch wahllose Nutzung, zerstört man das Zeichen.

Tagespolitik war nie ein Thema für euch. Eure Texte zehren auf eine unveränderte Art und Weise von einer Deutungsweise, die seit 80’ern besteht. Damit sind die Zeichen noch nicht zerstört, oder?
GD: Nee, so schnell ändern sich die Sachen nicht. Zwischen 1980 und 2020 hat sich kaum etwas verändert. Heutzutage gibt es Internet und Mobiltelefone … das ist es doch schon.

Ihr werdet doch heute »Verschwende deine Jugend« anders singen als noch vor fast 40 Jahren.
RG: Das ist nach wie vor eine Aufforderung zur Verschwendung. Die Leute sollen auch heute tun, was sie wollen und sich nicht unterkriegen lassen…
GD: Genau. »Tu was du willst«, »Nimm dir was du willst«, »Du bist jung und schön«…
RG: Was die Texte so geil macht ist, dass sie eine Aktualität besitzen. Eine Neutralität, die immer brennt, die immer offen lässt – deswegen sag ich neutral, Gabi -; die Leute sollten sich immer eine eigene Meinung bilden. Das war uns wichtig. Gabi will ja niemandem Befehle erteilen.
GD:* Oder alles dauernd erklären müssen – das finde ich nicht gut. In der Kunst allgemein ist das ein Problem. (zeigt auf Stühle) Wenn ich das aufbaue und sagen muss: Das ist ein Mahnmal gegen den Holocaust. Kunst muss für sich sprechen; alles andere ist blöd.

Verschwendet ihr denn noch eure Jugend?
GD: Wir sind ja nicht mehr jung.
RG: Wir verschwenden unser Alter.

Ihr seid ja kaum mit dem klassischen Sechziger zu vergleichen.
GD: Ich bin ein Mann der im Leben, in der Liebe und der Kunst immer wieder alles gibt . Aber es ist eher eine Aufforderung, kein Befehl, eine Aufforderung an das Publikum. Verschwende DEINE Jugend!
RG: Aus musikalischer Sicht gesehen, machen wir ja auch was; etwas Futuristisches, da wird man nicht alt. Da bleibst du jung. Man forscht, man bleibt nicht stehen.
GD: Jennifer (Cardini) hat eben im Gespräch was Schönes gesagt: Die Neugierde, wenn man immer etwas lernen will, das hält jung.
RG: … »Das reicht mir jetzt schon« …
GD: Der Konservatismus macht die Leute alt.
RG: Weil sie irgendwann nicht mehr leben.
GD: Das Bewahren wollen.
RG: »Jetzt haben wir es geschafft, das soll so bleiben.«
GD: »Ich will auch keine neuen Technologien lernen. Ich will immer ZDF gucken. Bitte nichts ändern. Die Couch steht auch schön da.« Dann hat man mit 35 alles abgehakt. Doch Leben heißt Veränderung und wenn man nicht Teil dieser ist, entsteht Angst. Dann mauert man sich ein, damit sich »bloß kein Neger auf die Couch setzt.«

Wo sortiert ihr euch denn dann ein: Bei The Who »I hope I die before I get old« oder bei den No Future-Punks?
GD: Beides gar nicht. Das Schöne an der Zukunft ist ja, dass es sie ja gar nicht gibt. Wer wird Weltmeister? Who knows.

Mehrfach konnte man in den letzten Jahren lesen, dass ihr so wichtig seid, wie noch nie. Nicht nur musikalisch, sondern eben auch als Beschreiber der Sub- und Konterkultur. Was stand denn da am Anfang? Der Schock und die Provokation oder der Druck, was verändern zu wollen?
RG: Es ging darum etwas Neues zu schaffen. Das Neue selbst ist der Schock. Wenn man etwas Unbekanntes beschreibt, das ist das Krasse.

Also glaubt ihr gar nicht unbedingt, dass die Themen wie Fetisch (»Sex unter Wasser«) oder Homosexuelle Liebe (»Der Räuber und der Prinz«) selbst das Schockmoment ausgelöst haben?
RG: Genau.

Chris Carter von Throbbing Gristle meinte in einem Interview, dass ihre Musik (zusammen mit Cosey Fanny Tutti als Chris & Cosey) in den letzten Jahren wieder interessanter wurden, weil es eine grundlegende Schleife gebe zwischen 81 und18.
GD: Da ist was dran. Mit Trump und May hat man ja Reagan und Thatcher again. Es gibt, speziell in der sehr jungen Generation zwischen 15 und 18, da gibt es einen starken Willen die Dinge nicht mehr als gegeben zu akzeptieren. Die historischen Vorbilder schaut man sich dann an und landet halt bei uns.

Dazu passend habt ihr ja die »Das ist DAF«-Box letztes Jahr rausgebracht. War es wieder an der Zeit was zu machen, oder brauchtet ihr Geld?
GD: Wir wollten nicht Part eines Backkatalogs sein, der hier und da veröffentlicht wird; wir wollen eine Neuveröffentlichung der alten Sachen bringen. Da bot sich die Box an. Und wir wollten auch nicht Teil der Retrospektiven-Industrie sein. Deswegen haben wir es dann bei Grönland Records rausgebracht. Da wird sowas liebevoll und im richtigen Geiste gemacht. Die Mareike Hettler, die sich da verantwortlich für zeichnet, die macht das alles sehr gut.

Dazu kam ja noch eine alte, neue Platte von dir, Robert. »The Paris Tapes« betitelt.
RG: Das ist ein nostalgisches Projekt für mich. Die Tracks sind ja 30 Jahre alt. Ich habe nochmal genau geschaut, was ich denn noch rumliegen hätte. Da habe ich die Kassetten gefunden, die ich mir in den 30 Jahren ein paar Mal angehört habe. Und dann saß ich mit einer Freundin zusammen, die mir bestätigte, dass ich das mal rausbringen solle.

Robert Görl of DAF
The Paris Tapes
Grönland • 2018 • ab 17.99€
Magst du die Geschichte dahinter erzählen?
RG: Die sollten 1988 in London produziert werden. `87 hatte ich die in Paris, wo ich damals wohnte, aufgenommen. Ich hatte ja vorher eine Platte mit Annie Lennox von Eurythmics gemacht; in die Richtung sollte es gehen. Ich bin dann, weil ich wirklich kurz was in Deutschland erledigen musste, hoch gefahren und als ich wieder zurück nach Paris wollte, hatte ich einen schweren Autounfall bei dem ich fast umgekommen wäre. Daraufhin bin ich mehrere Jahre nach Asien gegangen und habe mich dem Buddhismus hingegeben.

Wolltest du raus aus deinem Leben?
RG: Das war so ein Zeichen, dass ich raus aus der Musik sollte. Wo Musik vorher war, kam jetzt die Spiritualität. Nach drei Jahren kam ich zurück und hier war Techno plötzlich sehr groß. Da habe ich mich reinbegeben, weswegen natürlich so eine Elektro-Pop-Platte auch Quatsch gewesen wäre.

Du wohnst ja seitdem wieder in Deutschland, Robert, während Gabi nach Jahren in der Heimat namens Spanien mittlerweile in Portugal wohnt. Für wen gibt es mehr Gründe näher an den anderen ranzuziehen?
RG: Ich wohne ja irgendwo zwischen Berlin und München, aber ich möchte auch mal wieder raus. Und jetzt hat der letzte Umzug von Gabi mich sehr inspiriert.
GD: Ich bin Profi-Umzieher. Vier, fünf Jahre, dann reicht es mir.
RG: Mal was Neues beginnen, das juckt mich gerade.
GD: Das Problem an Deutschland sind die vielen Regeln. Wenn du einen Tisch auf die Straße stellen willst, dann geht das nicht. Das passt nicht zu uns.