Records Revisited: De La Soul – 3 Feet High And Rising (1989)

01.03.2019
Blümchenrap für alle: De La Soul waren vor 30 Jahren im Hip-Hop der Gegenentwurf zur Männlichkeit des Gangsta-Rap. Ihr Debütalbum ist bis heute ein Klassiker, der in seiner unbefangen-freundlichen Grundhaltung leicht wehmütig macht.

Now one weary day I woke, my alarm said ›Plug time’s up‹
Filled my bath up with the water, gargled with my gargle cup
As I bathed I felt a presence, and I’m sort of ticklish
I looked down and then around and I heard ›Hi! I’m Mr. Fish.‹

Der Gedanke ist einfach zu schön: Man sitzt entspannt in der Wanne, spürt da plötzlich etwas Ungewohntes im Wasser und wird dann einfach so von einem Fisch angesprochen, der mit einem das Bad teilt. Wo der hergekommen sein soll, ist ja egal. Hauptsache, er ist da. Genauso wie der behutsam galoppierende Beat darunter, zu dem sich prächtig Wasser treten lässt, sofern gewünscht. »Tread Water«, aus dem die Zeilen stammen, ist vielleicht nicht der größte Hit von De La Soul aber der Humor ist schon mal bemerkenswert genug, dazu exzellent gereimt präsentiert. Auch gut zu wissen, dass aufbauende Botschaften, wie sie der Text ebenfalls bereithält, sich prima hinter surreal-kindlich anmutenden Geschichten verstecken können. Und größenwahnsinnig-selbstironisch ist es allemal, wenn ein Song mit den Worten »I was walking on the water« beginnt.

30 Jahre nach dem Erscheinen von »3 Feet High And Rising« sieht es aus, als müsste nicht mehr allzu viel zu dem Debütalbum des Rap-Trios gesagt werden. Klassiker ist Klassiker. Man kann es allerdings immer noch ausgiebig bestaunen. Und vielleicht überhaupt in Erinnerung rufen, falls man es schon eine Weile nicht mehr auf dem Plattenteller oder anderswo rotieren gehabt haben sollte.

Die drei College-Studenten und Rap-Exzentriker Posdnous (Kelvin Mercer), Trugoy (David Jude Jolicœur) und Mase (Vincent Mason) aus New York City waren 1989 mit ihren – zum Teil nicht unbedingt leicht zu verstehenden – Reimen, in denen soziale Themen wie Drogenmissbrauch genauso vorkamen wie poetische Selbstverständigungen à la »De La Soul is from the soul«, sehr, sehr weit vorn.

Keine schwerblütigen Breakbeats, kein Zurschaustellen von Männlichkeit in Form von verbaler Gewaltbereitschaft, kein martialisch harter sozialer Realismus. Stattdessen trat mit De La Soul das hippieeske »D.A.I.S.Y. Age« auf den Plan.

Auch die bunte Auswahl an Samples hatte man im Hip-Hop so sonst noch nicht in der breiten Öffentlichkeit riskiert. Von erwartbaren Kandidaten wie Funkadelic (»Me Myself and I«), T-Ski Valley (»D.A.I.S.Y. Age«), James Brown (mehrfach) war es damals keinesfalls ein selbstverständlicher Schritt zu Steely Dan (»Eye Know»), Daryl Hall & John Oates (»Say No Go»), Johnny Cash (»The Magic Number») oder Billy Joel (»Plug Tunin’») und den Turtles (mehrfach). In dieser Hinsicht erwies sich ihr Produzent Prince Paul als spielentscheidender, weil innovationsfreudiger Partner. Mit dem Ergebnis lieferten sie Steilvorlagen für samplewütige Kollegen wie J Dilla und andere stilbewusst-offene Beatschmiede.

Die Vorliebe für schrullig-elegante Verse, ihre große Freude am Reichtum der Sprache und dem Unfug, der sich damit anstellen lässt, Rückwärtssprechen inklusive – Preisfrage: »What does ›Tuhs eht lleh pu‹ mean?“ –, war in Kombination mit einem stilistisch prinzipiell unbeschränkten Rückgriff auf die Poptradition zugleich eine klare Antithese zum damaligen Gangsta-Rap der Westküste. Keine schwerblütigen Breakbeats, kein Zurschaustellen von Männlichkeit in Form von verbaler Gewaltbereitschaft, kein martialisch harter sozialer Realismus. Stattdessen trat mit De La Soul das hippieeske »D.A.I.S.Y. Age« („da inner sound, y’all“) auf den Plan.

De La Soul machten erfolgreich vor, dass man im Hip-Hop auch ohne Drogen locker machen und sich im selben Moment geistig überfordern, zumindest jedoch kräftig anregen lassen kann. Im Zweifel ist Lachen der gesündeste Weg.
Gut, um Sex geht es bei De La Soul auch. In »Buddy« so ziemlich die ganze Zeit. Das muss man aber erst einmal entschlüsseln. Denn das Zusammentreffen von De La Soul mit ihren Kumpels der Native Tongue Family – den Jungle Brothers und Q-Tip von A Tribe Called Quest – ist ein einziger Wettstreit um die bestversteckte Andeutung auf einvernehmliche Handgreiflichkeiten. Wobei sie nebenbei noch das syntaktische Kunststück hinbekommen, aus der Präposition »de« und dem Artikel »la« ein Verb zu bilden, Bedeutung nicht ganz klar.

Fast forward 2019: Heute kann es wie ein Schock wirken, sich das Debütalbum von De La Soul mit ein paar Jahren Abstand vorzunehmen. Zur Freude des Wiederhörens kommen womöglich spontane Reaktionen wie der Gedanke, dass der Optimismus, mit dem sie seinerzeit das D.A.I.S.Y. Age ausriefen, gegenwärtig kaum vorstellbar scheint. In Zeiten von »Black Lives Matter« ist der Tonfall ein deutlich anderer geworden.

Vermutlich gerade deshalb bleibt »3 Feet High And Rising« so wichtig. Nicht nur, weil es weiter die aufgeschlosseneren unter den Hip Hop-Produzenten anregen kann, und weil es ein richtig großartiges Album ist, das allenfalls wie ein guter Wein gealtert ist. Sondern auch, weil es sich bei genauerem Hinhören als weniger naiv entpuppt, als es zunächst daherkommt. Genau genommen hat ihre Botschaft immer noch Aktualität, als Fanal gegen Verbitterung, Zynismus oder Fatalismus. Was Plug One, Plug Two und Plug Three, wie sie sich ja auch gern nannten, zusammen mit Prince Paul gelungen ist, bleibt so gültig wie einmalig. Bleibt noch die eine Bitte: »De La my Soul«!