Nico – Zur Dokumentation »Nico: In Memoriam«

21.01.2013
Bernd Gauls »Nico: In Memoriam« zeigt die Ruinen eines Dokumentarfilmversuchs. Kurze Konzertmitschnitte und Warhol-Material miteinander vereint ergeben keinen Dokumentarfilm, aber ein Überraschungsgast bei der Vorführung rettet den Tag…

Titel können irreführend sein, besonders wenn sie einfach nicht stimmen, so wie bei Bernd Gauls Film »Nico: In Memorium«. Er nannte seine halbstündige Sammlung von Clips »Dokumentation« und so erwartet der Zuschauer auch eine solche. Eine Erwartung, die der Film nicht im geringsten erfüllen konnte. Was der Zuschauer zu sehen bekam, war das Scheitern, die Ruinen eines Velvet Underground-Dokumentarfilms, den es niemals gab. Wir sehen Aufnahmen von Nicos Solokonzert 1986 in Westberlin. Sie ist high, kichernd, nicht ganz da, aber ihre Stimme ist noch eindringlich und rau und ihre Präsenz noch die eines Stars. Wir sehen kurze Clips eines Interviews, das im gleichen Jahr in einem Hotel geführt wurde – ein Interview das Gaul irgendwo gefunden hat, wo weiß er nicht mehr. Wir sehen Filmmaterial aus Andy Warhols Nachlass. Aufnahmen von Fabric-Partys und Proben. Diese Nicht-Dokumentation macht erst Sinn, als der Regisseur auf die Bühne tritt, um Fragen zu beantworten. Davor war es eine enttäuschende 30minütige Collage von Konzerten und Screenshots.

1985 beschloss Bernd Gaul eine Dokumentation über The Velvet Underground zu machen – »Damals die wichtigste Band unserer Zeit«. Der Tod von Beteiligten und der Tod einer Ära behinderten seinen Plan. 1987 entschied Lou Reed, dass er nicht über vergangene Zeiten sprechen will, er wollte überhaupt nicht mehr über Drogen reden. 1988 kam der Tod von Nico. Bevor sie ging, hatte sie einem Interview mit Gaul auf den Dächern von Westberlin zugestimmt. Am Tag des geplanten Interviews war der Himmel klar und blau, aber Nico kam nicht. Der Regisseur konnte sie nicht mehr erreichen bevor sie starb. Als das Publikum ihn nach den Aufnahmen fragte, stellte sich heraus, dass die meisten davon geliehen waren – mit Ausnahme der Konzertausschnitte. Ein unbehagliches Schweigen breitete sich im nicht sehr großen Lichtblick Kino aus. Dann mischte sich ein älterer, deutscher Herr ein und hob die Stimmung nach dem Film: Er war in den 1970er Jahren Nicos Freund gewesen. Er begann die Geschichte von ihrem Tod zu erzählen. Wie er nach Ibiza geflogen ist, um ihrem Sohn zu helfen, wie sie eine Radiomeldung machten und das Paar zu finden, welches Nico ins Krankenhaus brachte, nachdem sie Nico paralysiert am Straßenrand neben ihrem Fahrrad gefunden hatten. Er sorgte dafür, dass ihr Körper zurück nach Berlin gebracht wurde, als ihr Sohn Tagebucheintragungen fand aus denen hervor ging, dass sie eingeäschert werden wollte, denn dies war auf Ibiza nicht möglich. Er erinnerte sich, dass sie ihm als sie zusammen waren vom Grab ihrer Mutter in Grunewald, Berlin erzählt hatte. Er hatte Nico angeboten sie zu dahin zu begleiten, aber sie hatte immer geantwortet »Wenn ich dahin gehe, dann bleibe ich«. Dort liegt sie nun. Dieser ungeplante Gastauftritt rettete die ziemlich dürftige »Dokumentarfilm«-Vorführung. Die Aufnahmen waren nicht schlecht und die Idee The Velvet Underground zu dokumentieren war großartig. Der Regisseur sollte den Film in »gescheiterte Dokumentation« umbenennen, das würde die Sache sofort spannender machen und wäre auch genauer.