DJ Switch – Turntable Diaries # 5

22.11.2013
In diesem Jahr feierte die DMC World DJ Championships ihren 30. Geburtstag. Aus diesem Anlass stellen wir euch in den nächsten Wochen einige Turntablists vor. Diesmal: DJ Switch.

In diesem Jahr feierte die DMC World DJ Championships ihren 30. Geburtstag. Aus diesem Anlass sprachen wir mit ausgewählten Gewinnern der letzten drei Jahrzehnte über die Geschichte des DJing und ihren Blick darauf. In den nächsten Wochen stellen wir Euch nun einige Turntablists vor. Diesmal: DJ Switch – Der Brite gehört zu den Jüngsten DMC Champions. 2006 gewann er in der Kategorie »Battle For Supremacy (UK)« mit nur 17 Jahren.

Wann hast du mit Turntablism angefangen?
DJ Switch: Als ich jung war, tauchten immer mehr Scratch DJs in Pop Music Videos auf – Bands wie Limp Bizkit und Linkin Park. Und dann gab es Tracks, die sehr viel Scratching beinhalteten – wie Mark B & Blade’s »Ya Don’t See The Signs«. Das klang einfach unglaublich und abgefahren. Mein Vater gab mir dann eine Kopie des Videos zum 2001 DMC UK Finale. Ich habe mir das angeschaut und mir gesagt: »Ich muss rauskriegen, wie man das macht.«

Bist du immer noch aktiv? Und verdienst du damit deine Brötchen?
DJ Switch: Ja, das ist aktuell mein 9 to 5 Job! Das erste Mal wurde ich 2006 für einen DJ-Gig bezahlt. Jetzt bin ich seit drei Jahren Vollzeit-DJ. Eigentlich habe ich damals an der Uni Design & Engineering studiert, aber auf halber Strecke habe ich meine erste Weltmeisterschaft gewonnen. Danach steckte ich immer mehr Zeit ins DJing. Es war dann sehr leicht, Vollzeit zu gehen in etwas, wo man ohne Lug und Trug von sich behaupten kann, der Beste der Welt zu sein.

Was hat dich all die Jahre dran bleiben lassen?
DJ Switch: Ab Tag 1 ging es mir um DJ-Battles – eine Routine zusammen zu setzen und zu performen, also den Teil eines Tracks zu schnappen und ihn live zu etwas komplett Neuem zu mixen. Ich dachte nicht viel über die typischeren Aspekte des DJings nach. Ich wollte einfach all dieses verrückte Zeug lernen. Aber durch die ganzen Live Shows in Clubs, auf Festivals etc. bekommst du so ein massives Feedback, wenn die Leute auf einen Trick oder einen coolen Track reagieren oder wenn du über eine Stunde einfach eine großartige Stimmung kreierst. Ich arbeite deshalb kontinuierlich an neuen Sachen für meine Clubsets.

Wie schaut deine Lieblingsroutine aus?
DJ Switch: Das ist eine wundervolle und sehr schwierige Frage! Ich denke, meine populärste Routine wäre meine James Brown Routine. Meine wahrscheinlich technischste Routine, die ich jemals zusammen gebaut habe, ist mein DJ Shadow »Organ Donor« Juggle. Es ist eine schwierige Frage, denn jede Routine hat einen anderen Ansatz, da sie eine Reaktion auf das Ausgangsmaterial ist. Aber ich denke, meine Lieblingsroutine ist aktuell meine Run DMC »Walk This Way« Routine. Das ist einer der Tracks, an dem sich bisher niemand versucht hat. Und ich bin stolz darauf, all die Varietät in diese eine Routine gepackt zu bekommen.

Wie entwickelst du eine Routine?
DJ Switch: Die meisten meiner Routinen starten bei einem bestimmten Break, den ich irgendwo höre – ein Abschnitt mit einem interessanten Arrangement von Beats und Sounds. Und daraus beschwöre ich dann Ideen, wie ich diese Beats in völlig neue Pattern umsequenzieren kann. Nachdem die grundlegende Idee steht, dauert es vielleicht ein paar Stunden, die gesamte Routine zusammen zu bauen, ein Intro und Outro aus dem Track zu basteln oder den besten Weg für einen Übergang zwischen verschiedenen Tempos zu finden.

»Jetzt leben wir in einer Welt, wo technisch gesehen, alles gesagt wurde.«

Dj Switch
Wie würdest du deine grundsätzliche Philosophie des Turntablism beschreiben?
DJ Switch: Ich mag DJ Craze’s Philosophie, ein guter Allrounder zu sein. Das versuche ich mir wirklich zu Herzen zu nehmen. Beat Juggling ist zwar meine Spezialität, aber in Battles balanciere ich das mit gleichen Anteilen Scratching, Body Tricks und Disses. Und stelle sicher, dass du eine Persönlichkeit mitbringst und diese auch rüber bringst. Das vergessen viele. Generell ist meine Philosophie, anderer Leute Material zu schnappen und daraus etwas Interessantes und Unterhaltsames zu machen. Es ist ein Live-Remixen, das man entweder in keiner anderen Form machen kann oder das dann extrem kompliziert wäre – es ist einzigartig.

Wie bereitest du dich auf Battles vor? Und wie fühlst du dich bei Battles?
DJ Switch: Meine Vorbereitung zu all den Battles bestand aus großen Tabellen – die Runden und Timings zu planen, meine Gegner aufzulisten (möglichst auch deren Material zu studieren), für sie Disses zu suchen und herauszufinden, welche meiner Routines am besten gegen sie funktionieren. Ich ging sehr methodisch vor. Ich machte kein wirklich körperliches Training, sondern übte einfach nur meine Routines, bis ich sie im Schlaf beherrschte.
Wie ich mich während des Battles fühle? Hm, eigentlich bin ich komplett leer, renne quasi durch meine Routine und existiere einfach in diesem Moment. Falls ein Fehler passiert, bin ich gut darin, während meiner Performance darüber nachzudenken, wie ich damit umgehen könnte. Und immer wenn ich Leute disse, habe ich etwas Zeit, mal durchzuatmen.

Wie war dein erster Battle?
DJ Switch: Mein erstes Battle war in einer Standt namens Sandwell (Mittel-England) und war viel mehr ein Mix-Battle. Ich konnte damals ein paar einfache Scratches, was mir wahrscheinlich zum Sieg verholfen hat. Die meisten DJs mixten Grime, Garage und ein wenig Hip Hop. Ich glaube, ich habe vor allem Drum & Bass aufgelegt. Den Pokal habe ich noch. Er hat ein wenig Farbe verloren und zeigt das Bild eines Typen im Elvis-Anzug, der gerade Karaoke macht. Ich habe auch noch das Video, das meine Eltern aufgenommen haben. Es ist eine ganze Weile her, dass ich das angeschaut habe!

Wie hat sich dann der DMC World Supremacy Titel angefühlt?
DJ Switch: Yeah, Ich erinnere mich an alle, insbesondere 2010, denn das war definitiv mein bestes Jahr. Obwohl… das erste Mal, als ich die World Supremacy Champions gewann [2008, Anm. der Redaktion], hatte ich ein hartes Halbfinale gegen DJ Bunta aus Japan. Ich erinnere mich, die Runde mit einem Punkt Vorsprung für mich entschieden zu haben. Aber ich hatte zu diesem Zeitpunkt noch nicht meine beste Routine gebracht (mein James Brown Juggle) und für einen kurzen Moment dachte ich mir »Wow, ich habe wirklich eine Chance, das zu gewinnen!«

Was hat sich seit den Anfängen im Turntablism geändert?
DJ Switch: Es hat sich dramatisch geändert und ist, meiner Meinung nach, durch natürliche Phasen gegangen. Es begann mit der Body Tricks / Angeber-Ära, wo jeder einfach herumprobiert hat, um neue Tricks zu kreieren. Jetzt leben wir in einer Welt, wo technisch gesehen, alles gesagt wurde. Was großartig ist, da es alles in eine stärker musikalische Richtung gedrängt hat und man wirklich neue Musik kreieren möchte. Die Battle-Szene reflektiert das sehr gut. Denn durch die Digitalisierung hat jeder DJ jetzt die volle Kontrolle über seine Sounds. Man kann wählen und muss ein Komponist werden – befreit von den Grenzen des Vinyls.

Digital oder Vinyl?
DJ Switch: Die meisten meiner normalen DJ Shows mache ich digital (mit Serato). Wenn du eine Party rocken willst, ist es sehr angenehm, wenn du alle extra Kontrollen zur Hand hast – Cue Points, Loops, Effekte, eigene Edits und sogar eigene Dubplates, die du jetzt nicht mehr pressen lassen musst. Davon abgesehen mache ich ab und zu aber auch Vinyl-only Shows. Sie machen ungemein Spaß – Sachen zu spielen, die ich normalerweise nicht auf Headline Shows spielen würde, meine alten Vinyl-Routinen zu machen. Ich weiß meine Vinyl-Sammlung (so klein sie auch sein mag) immer noch zu schätzen und teile sie gerne mit den Leuten.

Deine Top 3 Turntablism Platten?
DJ Switch: The Avalanches – Frontier Psychiatrist; 2Tall (aka Om Unit) – Shifting Tides; DJ Yoda – Hot To Cut & Paste Vol. 1