Buttering Trio – Furcht und Besorgnis musizieren mit

01.09.2014
Foto:Nicholas Pawelke / © hhv.de mag
Eine der interessantesten Bands aus Israel ist das Buttering Trio. Will man in diesen Tagen mit der Band über ihr Debüt »Toast« sprechen, wird das Gespräch den derzeit wieder aufgeflammten Konflikt im Gazastreifen nicht unberührt lassen.

Musik steckt in uns allen, heraus will sie meist ganz von allein. Und doch ist der Weg ans Licht oft so schweißtreibend wie undefinierbar. Rejoicer, KerenDun und Beno Hendler haben sich als Buttering Trio zusammengetan, verbringen ihre Zählzeit im Dunst der Jetztzeit irgendwo zwischen Soul, Trip Hop und Hip Hop. Und doch assoziierte man sie mehr als einmal mit dem Jazz der Moderne. Dass von Gilles Peterson bis hin zu Snoop Dogg nahmhfate Persönlichkeiten an den Israelis gefallen finden, überrascht wenig. Denn beim Buttering Trio geschieht bemerkenswertes. Wo es mit einem erfolgreichen Debüt im Gepäck nun hingehen könnte, weiß man nie genau. Erzählenswerter und eindeutiger sind die Beweggründe und Motivationen, die ihrem Erstlingswerk »Toast« vorangegangen sind.

Israel hat heutzutage eine der bedeutendsten Jazzszenen als auch Start Up-Szenen des Mittelmeers, deren Errungenschaften globalen Einfluss haben. Bekannter ist das Land wohl nur als Krisenherd. Seht ihr dar eine Verbindung oder doch eher Zufall?
KerenDun: Ich denke, die gibt es. Es geschieht doch oft, dass sich persönliche Not in Kreativität äussert…
Beno Hendler: Das stimmt. Ich sehe das in meinem Land häufiger als anderswo, dass die Leute viel fokussierter sind auf das was tatsächlich wichtig ist. Anderswo geht das vielleicht noch besser, wie beispielsweise in Deutschland, wo die Menschen Freiheiten geniessen, die es anderswo nicht gibt, und dadurch die Zeit haben, das zu tun, was ihnen beliebt. Aber am Anfang steht immer eine Idee und das Vorhaben diese Ideen umzusetzen. Und der Tatendrang hierfür ist in meiner Heimat in diesen Tagen sehr präsent.
KerenDun: Gerade die Musik hat bei uns einen hohen Stellenwert. Sie schafft Klarheit und Einvernehmen, ganz ohne Worte, die leicht polarisieren und Inhalte verdrehen. Unsere Gesellschaft ist sehr schnelllebig, und gerade in Zeiten der Krise, kann etwas Gesagtes innerhalb kürzester Zeit das Gegenteil bedeuten. Bei der Musik passiert so etwas nicht so schnell. Wir vermitteln symbolisch und durch unsere Vorstellungskraft, die wiederum die des Zuhörers antreibt. Unsere Botschaft der Einheit und der universellen Liebe lässt sich hierin gut vermitteln, ohne dabei als Politikum behandelt zu werden.

Deutlich zu erkennen auch auf dem Artwork von »Toast«, welches eine modernisierte Version der »Garten der Lüste« von Hieronymus Bosch darstellt – die Liebe als universelle Lösung. Ohne euch nun auf dieses Bild reduzieren zu wollen, aber ist es nicht ein stückweit zu einseitig und naiv, so auf eine solch komplexe Problematik, wie sie im Nahen Osten vorherrscht zu antworten?
Rejoicer: Das eigentliche Problem sind weder die Leute, noch die Meinungen. Es sind die Regierungen und die Interessen ihrer Nutzniesser. Damit haben wir als Band oder als Israelis nichts zu tun. Und demnach auch sehr wenig bis gar keinen Einfluss drauf. Unsere Botschaft richtet sich aber an alle Betroffenen, zumal wir auch betroffen sind. Dreck wird es immer geben, also sollte man sich besser damit abfinden. Bevor man aber im Angesicht von Konflikt, Ausbeutung und sogar Tod kapituliert, sollte man sich eines besseren besinnen und sich auf das konzentrieren, was man hat und was man daraus machen kann. So wollen wir uns verstanden wissen.

»Und doch, wir sind Juden. Von Geburt an hängt über unserer aller Zukunft das Damoklesschwert des andauernden Konflikts. Man steht gerade in jungen Jahren ganz automatisch auf einer Seite, ob man nun will oder nicht.«

Also nutzt ihr eure Band durchaus dazu, eure politischen Überzeugungen zu verkünden? Viel mehr noch: Ist es als israelischer Künstler heutzutage überhaupt möglich apolitisch zu sein?
KerenDun: Ich glaube es nicht wirklich möglich, den Konflikt gänzlich außen vor zu lassen. In Anbetracht der Situation der letzten Monate ist es als überzeugter Pazifist allerdings ein Unding sich auf jedwede Seite zu schlagen. Und doch, wir sind Juden. Von Geburt an hängt über unserer aller Zukunft das Damoklesschwert des andauernden Konflikts. Man steht gerade in jungen Jahren ganz automatisch auf einer Seite, ob man nun will oder nicht. Was nun unser Trio angeht, so ist keiner von uns aktiv »aggressiv«. Wenn man in Israel lebt, ist es unmöglich nicht mitzubekommen, was alles passiert. Das ganze Volk ist praktisch in einem Teufelskreis aus Furcht und Besorgnis gefangen. Und das spiegelt sich natürlich in einem jeden von uns, und dadurch auch in unserer Musik wieder.
Rejoicer: Was die meisten von uns machen, und das spricht auch für das Buttering Trio, ist, dass wir mit der Situation von einem Tag auf den nächsten umgehen. Man versucht das Tagesgeschehen mit mehr als nur diesem Konflikt anzureichern. Eben so ist »Toast« strukturiert. Es gibt Songs, die sich dem Thema der Besetzung und des Kriegs widmen. Ebenso haben die meisten anderen aber so rein gar nichts damit zu tun. Und das ist auch gut so. Es ist eine wirklich heikle Angelegenheit, weder zu sehr in der Problematik aufzugehen, noch darin unterzugehen.
KerenDun:* Unsere Stellungnahmen auf dem Album sehen wir dem eigentlichen Konflikt übergeordnet. Wir sind gegen Gewalt jeglicher Art, auch wenn wir in unserer Heimat seit jeher als linksgerichtet wahrgenommen werden. Das heisst also gegen die Besetzung. Politisch aktiv sind wir aber definitiv nicht.

Und doch hat eure Meinung ein größeres Gewicht als bei vielen anderen. Ich stelle mir das ganz bildlich vor. Da stehen mal mehr, mal weniger Kids vor euch und nicken zu euren Beats. Da wäre es ein leichtes sie meinungsbildend zu beeinflussen. Steht der persönlichen Notwendigkeit, seinem Unmut Platz zu machen, nicht eine gewisse Pflicht vor?
KerenDun: Selbstverständlich. Vor beiden Auftritten in berlin, sowohl in der Panke als auch im Jüdischen Museum, habe ich mir ein paar Minuten Zeit genommen, die Missstände in unserem Land anzuprangern. Und ja, wir haben alle schon dieses Schuldgefühl empfunden, nicht genug getan zu haben.
Beno Hendler: Man muss wirklich höllisch aufpassen, wie weit man sich aus dem Fenster lehnt. Sagt man gar nichts, wird man von den anderen positioniert, sagt man zu viel, handelt man sich sehr schnell Ärger mit seinen Landsleuten ein. Das Problem ist so differenziert, vermengt mit Gefühlen und Fakten, dass oft keine eindeutige Stellungnahme möglich ist. Die Graustufen sind längst nicht mehr existent, und ehe man sich versieht, findet man sich auf einer der beiden Seiten wieder. Ich meine damit die Leute, die einen gegen sich sehen, wenn man nicht uneingeschränkt auf ihrer Seite steht.


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