Adrian Younge – Fehlt nur noch Tarantino

30.07.2015
Foto:The Artform Studio
Seite an Seite mit Ghostface Killah hat Adrian Younge gerade die Fortsetzung seines Audio-Epos »Twelve Reasons To Die« herausgebracht. Wir sprachen mit dem Musiker über das transmediale Projekt.

hhv.demag: »Twelve Reasons To Die II« ist frisch erschienen, das Vorgängeralbum kam 2013. Gerade lese ich ein Heft der gleichnamigen Comic-Serie, die parallel zur ersten LP erschien. Seine Kolorierung ist angelehnt an den Comic-Look der Epoche, in der seine Geschichte spielt. Der Look ist aber mehr als eine Imitation, er besteht auch durch einen Anspruch, der mehr möchte als nachahmen. Das ist Dir wichtig, oder?
Adrian Young: Ja, genau diesen Anspruch sollen sowohl der Comic als auch die Musik verfolgen. Sie sollen wirken wie aus der Zeit gefallen, wie Werke einer vergangenen Epoche. Dabei sollen sie aber sehr wohl den qualitativen Standards der Gegenwart entsprechen. Wenn es dabei um Nachahmung geht, dann im Sinne einer künstlerischen Aneignung. So, wie man es sich aneignet, Gitarre zu spielen, eignet man sich den Klang oder die Ästhetik spezifischer Musik an. Das geht einher, man lernt – und lernt auf diese Weise viel Großartiges kennen. Und Großes zu schaffen.

Wenn Du bei «Twelve Reasons To Die« den Sound alter Wu Tang-Tage in ein orchestrales Gewand aus Soundtrack-Dramatik packst: Kann man da sagen, dass Dein Vorgehen beim Arrangieren von Songs dem der Comic-Künstler ähnlich ist?
Adrian Younge: Auf jeden Fall, denn ich denke, dass es bei beiden Herangehensweisen um Zeitlosigkeit geht. Ich besinne mich auf Musik, die ich liebe, greife auf, was ich mag – und versuche, es noch besser zu machen. Egal, ob ich mit Samples arbeite oder Instrumente spiele, was mir – im Gegensatz zum Sampling – mehr Möglichkeiten bietet.

Du bist ja nicht nur Musiker, Du dozierst auch über Medienrecht. Was sagst Du mit diesem Background zu jemand, der samplebasierte Musik ablehnt oder gar als Diebstahl abtut?
Adrian Younge: Wer so denkt, hat keine Ahnung von Musik. Qualität erkennt man, egal, in welche Kunstform sie jemand hat fließen lassen. Wer sucht, findet überall wertvolle Beispiele, und klar gilt das auch für samplebasierte Musik. Wenn ein Song nur aus wenigen Loops besteht, kann er trotzdem Größe und Originalität haben.

Bestimmt sind die sprichwörtlichen Crate Diggers unter den Musikproduzenten gute Beispiele dafür, dass im tiefen Schürfen ein Potential für Größe liegt. Ich denke, Du bist in vieler Hinsicht ein Digger – auch was Dein Label Linear Labs betrifft, oder?

»Tarantino hat einen ähnlichen Zugang wie ich, den Sound vergangener Tage und verschiedener Epochen in die Gegenwart bzw. in eine erzählte Gegenwart zu überführen.«

Adrian Younge
Adrian Younge: Das stimmt wohl. Alleine schon bezüglich des handwerklichen Aspekts, den ich bei Linear Labs verfolge. Mein Label soll mehr als nur solides Handwerk bieten. Die Musik, die ich herausbringe, trägt eine besondere Handschrift, sie soll für den Zuhörer maßgeschneidert sein. Es geht es um ein spezielles Gefühl, das von der Musik ausgeht.

Zurück zu den »Twelve Reasons To Die«-Alben: Beide sind ja recht episch – zum einen aufgrund der Instrumentierung, zum anderen durch ihren Hörspielcharakter. Wie läuft die Arbeit bei solch einem Projekt? Kamst Du mit einem fertigen Konzept auf Ghostface zu? Oder hat sich das nach und nach entwickelt?
Adrian Younge: Die Idee dahinter kam von mir. Ich habe sie Ghostface und RZA erzählt, die ich seit langem kenne, und da kam eins zum anderen. Das Konzept war auch fertig – in dem Sinne, dass es in sich geschlossen war. Abgeschlossen war sie damit aber nicht: Die Songs entstanden im Dialog, und insofern gab’s da auch eine Entwicklung – wie immer innerhalb kreativer Prozesse. Ich hatte das Konzept der Geschichte im Kopf, ihren narrativen Ablauf innerhalb der einzelnen Songs. Dann stellte ich ihr gemeinsam mit meiner Band die musikalische Kulisse, was gleichermaßen Teil des Dialogs war, denn es geht immer auch um den Subtext, in dem die Musik steht. Wenn ich langsamer spiele oder dunklere Töne anschlage, weiß ich um die Wirkung, die das erzielt. Entsprechend habe ich auch am narrativen Anteil von »Twelve Reasons To Die« mitgewirkt – wie man überhaupt mittels Musik Geschichten erzählt, ohne Worte zu verwenden.

Dann hatte auch das Vermitteln der Story an die beteiligten MCs und Musiker etwas Filmisches, Comic-haftes: Du fertigst gedankliche Bilder für sie an, die sie auf ihre jeweilige Weise gemeinsam mit Dir umsetzen…
Adrian Younge: Ein guter Vergleich, es ist tatsächlich wie bei einem Comic, oder mehr noch wie bei einem Film-Skript. Man geht die bisher nur in Gedanken fixierte Geschichte Bild für Bild durch, schaut, wie sie im Kontext des Soundtracks funktioniert, lässt die Bilder gemeinsam zu einem kohärenten Drehbuch werden, und setzt das ideelle Skript Szene für Szene zusammen.

Nehmen wir an, »Twelve Reasons To Die« wird verfilmt, Du sorgst für die Filmmusik. Wer soll Regie führen?
Adrian Younge: Quentin Tarantino.

Wegen der Weise, wie er Musik zum Erzählelement macht?
Adrian Younge: Er hat einen ähnlichen Zugang, den Sound vergangener Tage und verschiedener Epochen in die Gegenwart bzw. in eine erzählte Gegenwart zu überführen – auf eine Weise, die originell ist, weil sie die Songs förmlich loslöst. Tarantino macht die Songs, die er verwendet, zu etwas Besonderem. Er beherrscht das Spiel mit Referenzen und Bezugnahme.