Ausklang | 2017KW45 – 8 essentielle neue Platten

10.11.2017
Hunderte neue Releases, jede Woche. Davon viele sehr gut – und bereits von diversen Portalen vorgestellt. Wir präsentieren: die unvorgestelltesten, besten Releases der Woche. Ab vom Schuss, leicht daneben und tierisch geil: der Ausklang.
World's Experience Orchestra
As Time Flows On
Now-Again • 2017 • ab 24.99€
Ich hatte in meinem Leben erst zwei Beziehungen zu Menschen mit dem Namen Egon. Der erste Egon hatte in der Grundschule Lackschuhe an und er machte sich im Kampf höchstens die Hände dreckig, blieb nicht lange auf der Schule. Der zweite Egon ist der Labelchef so von Now Again und es ist eine sehr einseitige Beziehung, da er mich gar nicht kennt. Der hat jetzt die beiden Alben des World’s Experience Orchestra neuaufgelegt: Bis dato nur privat gepresster, spiritueller Soul Jazz, klingt als habe Santa stets hot sauce in his bag, wenn er an Weihnachten in Boston Geschenke verteilt. Vielleicht hieß der damals übrigens auch Robert, weiß jetzt nicht wie ich auf Egon kam, also bin mir nicht sicher, aber was spielt das überhaupt für eine Rolle? PK

Exploded View
Summer Came Early
Sacred Bones • 2017 • ab 16.99€
Klar, besser der Sommer kommt zu früh, als dass er nie kommt. Würde halt echt jeder zustimmen, außer so Menschen wie Martin (oder hieß er Toni), der es in der Grundschule als nötig empfand, zu behaupten, weder Pommes noch Eis würde ihn schmecken, einfach damit er ein Alleinstellungsmerkmal hat, der Widerling ey. Nur manchmal ist es echt nicht gut, wenn er kommt (el Sommère): wenn man mit den Ausläufern eines akuten Infektes im Bett liegt und alle Symptome so unangenehm latent sind, also das Fieber auf dem Thermometer vielleicht weg ist, aber der Körper sich immer noch so schwitzig anfühlt, vom Gefühl fürs eigene Zahnfleisch will ich jetzt mal erst gar nicht anfangen, und der Dünnsch sich nur noch in qualvollen Blähungen äußert. Die Musik von Exploded View passt zum richtigen Sommer wie sie zum falschen passt. Und das sage ich jetzt nicht nur, weil (ich seh’s ja ein) dringend die Überleitung zur Musik vollzogen werden musste. PK

Lion
You’ve Got A Woman
Numero Group • 2017 • ab 8.99€
Hab’s gerafft, ‘s Kunzele bräuchte Ibu800, ich habe aber nur einen Wadenwickel, der selbst Spülmaschinenanschließer fragen lässt: hey, was läuft denn da, das groovt ja voll, höre voll gerne Stevie Wonder nach Feierabend, du auch? Das war in meinem Fall »You’ve Got A Woman« und ich habe mich viel zu sehr gefreut, weil meistens findet man ja bei solchen Anlässen höchstens den Effzeh oder vielleicht noch das Kebabpland als Gesprächsthema. Dass der Song von Lion ist, da jetzt eine Reissue über Numero Group kommt und ich mit meiner G+ Pressung trotzdem noch den Längsten habe, das wollte der Robert Martin dann leider nicht mehr wissen. FA

Sandy B
Amajovi Jovi
Invisible City Editions • 2017 • ab 20.99€
Hätte Robert Martin dann eigentlich auch noch gerne nach seiner Meinung zu Sandy B gefragt. Die Story ist die gleiche wie jeden Freitag hier: das Tape so rar, dass Sandy als die üblichen Median-Potenzierer angefragt hatten, wohl noch mal neu aufnehmen musste, weil er selbst keins mehr hatte. Im Gegensatz zu vielen anderen Kwaito-Geschichten ist das aber nicht nur rar, sondern ein Minialbum mit Hit an Hit an Hit. Stellvertretend hier »Student Night«, das klingt als hätte jemand »I Like To Move It« und »Mashisha« gemashupt (lol, Mashups, remember?), die Hälfte der Spuren aus Versehen gemutet und vergessen den Pitch zu regulieren. Also großartig, obviously. FA

Princess Nokia
1992 Deluxe
Rough Trade • 2017 • ab 30.99€
Mediale Aufmerksamkeit ist vielleicht ein Kriterium von Relevanz, noch lange aber nicht dessen definitives Merkmal und sowieso: Wer nun den »G.O.A.T.«-Titel verdient hat oder nicht, entscheidet weder ein Böhmermann-Retweet noch das nächste Noisey-Thinkpiece. Also, geht jetzt um Eminem, nicht etwa um Princess Nokia, die sich denselben Titel auf die erweiterte Vinyl-Auflage ihrer Debüt-EP »1992« schreibt und sich immerhin mit Lines wie »I got no ass and I got no titties / but all of your dudes, they hit me to hit it« in die engere Qualifikation reinschmuggelt. Darauf einen Knochen in den Moshpit oder Suppenwürfe auf Rassisten was auf Anhieb sowieso mehr Spaß macht als affektive Schnappatmung in der Parkdeckcipher. KC

Ingleton Falls
Champagne In Mozambique
Isle Of Jura • 2017 • ab 25.99€
Statt Parkdeck überhaupt lieber: Bootsdeck, 32° Grad im Schatten und -8° im Nacken. Glasklares, grünstichiges Wasser und grelles Weiß überall dort, wo nicht Chrome strahlt. Abstecher ins Landesinnere, ohne Begleitung oder Bekleidung. Und dann vom Gipfel des Vulkans mit Blick über die Bucht feststellen, eigentlich doch nur im graugelben Nahverkehr des nächsten Arbeitstages zu sitzen, zwischen Knobimief und Achselschweiß, zwischen Start-Up-Stefanie und Backwerk-Basti. Dann doch lieber »High«, und sei’s nur eine Frage der Restinnerlichkeit zwischen den Stöpseln des Walkmans. KC

Benedikt Frey
BAH 039
Bahnsteig 23 • 2017 • ab 11.99€
Hier stimmt ja gar nichts: Das Label Bahnsteig 023 ist nicht aus deutschen Gefilden. »Bahnsteig 039« ist nicht das 39. Release des Labels, sondern höchstens das sechzehnte. »Releipsuahcs« heißt eigentlich Schauspieler. Rückwärts gesprochen. Ist so. Was hier wie LCD Soundsystem anno 2005 daherkommt, ist ein Typ namens Benedikt Frey. Einzig richtig: Die Vergangenheit hat lange gedauert. Macht mir gute Laune. SH

Peppermint Lounge
Perfect High
Dark Entries • 1983 • ab 16.99€
Heute noch gar nichts aus 1983 gepostet. Bin kurz davor mich dafür zu entschuldigen, denn so können wir Euch nicht ins Wochenende entlassen. Zum Glück gibt’s ja Dark Entries, die uns helfen jedes Jahr ein neues Kleinod aus der Zeit, als noch Popper gegen Punker kämpften, ans Tageslicht zu bringen. Heute: Peppermint Lounge, »Perfect High«. SH