Wolf Müller & Niklas Wandt – Trommelkunde

16.02.2018
Foto:Ariel Efron
»Wie geil kann alles sein. Aber vor allem: wie geil kann es noch werden?«. Es wird im Folgenden sehr geil – oder sau langweilig. Kommt jetzt ganz auf den jeweiligen, natürlich immer geschätzten, Leser an.

Man hätte mit Jan Schulte aka Wolf Müller und Niklas Wandt über eine Menge interessante Dinge reden können. Schulte ist der Lieblings-DJ deines Lieblings-DJ, Geschmacksinstanz und Instagrams knuffigster Nature-Boy. Niklas Wandt war absolut realer Underground-Rapper, heute ist er Hörbuchvorleser und überall Drummer, wo’s in Deutschland tight wird

Aber gesprochen werden sollte ausschließlich über Percussion-Instrumente. Wir übernehmen dafür die volle Verantwortung.

Natürlich steckt dahinter auch ein Gedanke, kommt schon. Schulte und Wandt haben mit »Instrumentalmusik Von Der Mitte Der World« ein Album aufgenommen dem man sich jetzt in einem großen Bla Bla über die Einflüsse nähern könnte. Es ist allerdings viel gescheiter, wenn man einfach bei den Figuren bleibt, die dieses Album gemacht haben: dem einen Dude mit der Latzhose und dem anderen Dude, der da verträumt unter einer Trauerweide trommelt. Neben allem, was das Album der beiden Spaßvögel auf der Picknickdecke so musikalisch drauf hat, ist es nämlich vor allem: das locker von der Hüfte weg’ste Album der elektronischen Tanzmusik hierzulande seit langem; eine kauzige Zusammenstellung an Liebhabereien, Humor von Onkel Rolfs (68 Jahre, wohnhaft irgendwo zwischen Erftstadt und Krefeld) Dachboden, gepaart mit Webart-Witz und Wasserloch State Of Mind.

Wer also verstehen will, was hinter diesem Album steckt, der lässt die beiden reden: über Trommeln verschiedener Art und so. Danach ist einiges klarer. Nachdem Niklas Wandt dann auch die im Hintergrund laufenden »Wiegengesänge von so ‘ner Berber-Lady« ausgeschaltet hatte, konnte es losgehen. Willkommen in der Mitte der World, man muss das jetzt wirklich so ansagen.

Jan Schulte: Ich habe das »Handbuch der Schlag- und Effektinstrumente« zur Hand.
hhv.de mag: Okay, damit ich das richtig verstehe: Du guckst jetzt darin nach den Percussions, die ihr auf dem Album verwendet habt, ja?
Jan Schulte: Genau richtig.
hhv.de mag: Fangen wir doch mit der Dun Dun an, kommt gleich auf Track 1 vor.
Niklas Wandt: Das Dun Dun, es gibt verschiedene Instrumente unter dem Namen, ist ein westafrikanisches Instrument. Also in dem Fall sind das drei Trommeln, so ein Set, das normalerweise aufgebockt wird. Das sind Basstrommeln und die machen in Mali, Sierra Leone, ich glaube Guinea und Ghana auch, damit die Basis-Basspatterns unter den Stücken. Es funktioniert immer so, dass es in klassischer westafrikanischer Percussion-Musik so eine Eingangsphrase gibt, also eine Art Satz oder Catchphrase von der Solotrommel, dann kommt das Ensemble und dann geht’s auf den Basisrhythmus und das Dun Dun ist immer darunter.

Jan Schulte: Mir ist aufgefallen, dass ich ja die Embryo und das Yoruba Dun Dun Orchester [Schneball, 1993] habe, mit aufwendigem Heft innendrin. Und hier steht: die Tonsprache der Dun Dun hat ihren Ursprung in der Sprache der Yoruba-Götter. In einer der Dun Dun-Solokompositionen wird etwa die Flussgöttin Oshun angerufen.

Niklas Wandt: Allerdings muss man sagen, dass dieses Dun Dun, von dem da die Rede ist, eine Talking Drum nach unseren Begrifflichkeiten ist. Das ist ein anderes Dun Dun [lacht] als das, was ich benutzt habe.
hhv.de mag: Aha, das Dun Dun, das ich zuerst finde, ist eine Sprechtrommel, die die Töne der afrikanischen gesprochenen Sprache imitiert.
Niklas Wandt: Richtig, und ich habe aber ein Dreierset mit Basstrommeln benutzt.

Jan Schulte: Machen wir weiter mit Kpanlogo.
hhv.de mag: Panlogo?
Jan Schulte: Mit K am Anfang.
hhv.de mag: Aj ja, Ghana.

Jan Schulte: Knicky-Knackers, Knöpfel… finde ich… Kugelrassel, Kuhglocke. Da bin ich ja schon vorbei an »p«. Ich muss leider gestehen, dass das »Handbuch der Schlag- und Effektinstrumente« sehr inkomplett ist. Ist halt aus den 1970er Jahren, wahrscheinlich unter einem anderen Namen gelistet. Ich guck mal, ob ich etwas anderes finde, das in der Liste unserer Instrumente drin ist. Ist das sehr spannend gerade?
hhv.de mag: Absolut.

»Diese Bohne erhielt ich als Obendreingabe bei einem Instrumentenkauf hier bei einem ghanaischen Trommellehrer.«

Niklas Wandt
Jan Schulte: Suchen wir weiter. Flex-A-Ton wäre spannend zum Beispiel. Ein Schüttelidophon aus einem u-förmigen Rahmen mit Handgriff…
hhv.de mag: Das ist ja ziemlich technisch dieses Handbuch…
Niklas Wandt: …wenig Gefühl dabei, ja.
Jan Schulte: Ja, sehr auf Korrektheit aus. Ich weiß auch nicht, wie spannend das jetzt ist, wenn wir damit weiter machen. Vielleicht ist die Idee mit dem Handbuch gescheitert.

hhv.de mag: Als gescheiterte Idee für den Anfang finde ich das voll okay. Jetzt brauche ich mehr persönlichen Bezug zu euren Instrumenten.
Jan Schulte: Niklas, bist du damit auch okay?
Niklas Wandt: Leude, ich hab’ euren Rücken.
Jan Schulte: Ich hoffe, du küsst auch unsere Augen.
Niklas Wandt: Voll.

hhv.de mag: Was für persönliche Geschichten verbindet ihr denn mit den diversen Instrumenten, wo habt ihr sie gekauft etc.?
Jan Schulte: Also ich bringe mir immer, wenn ich die Möglichkeit habe, Instrumente von Reisen mit.
Niklas Wandt: Diverse Instrumente, die auf dem Album zum Einsatz kommen, verbinde ich mit einem Laden in Köln, nämlich dem Asian Sound. Der seines Zeichens ein Großhandel für Percussioninstrumente vornehmlich asiatischer Natur ist. Mein Schlagzeuglehrer hatte mich darauf hingewiesen, so 2010 war ich das erste Mal dort. Man findet diesen Asian Sound auch als Referenz auf vielen Platten, die wir als Inspiration herangezogen haben. Weil der Besitzer, Michael Ranta, ein Typ gewesen ist, der Mitte/Ende der Siebziger diesen Kram hierhin geliefert hat. Dementsprechend kann bei vielen Percussion-Sachen aus dieser Zeit, zum Beispiel Sachen von Christoph Haberer [Kölner Schlagzeuger] unten Rechts auf dem Backcover den Verweis zum Asian Sound lesen. Auch bei Peter Giger, Family of Percussion, oder auf dem tollen Album »Seven Heaven« von Glen Velez steht es auch. Immer so »thanks to Dings«. Gute Adresse auch damals schon gewesen für die Leute.

hhv.de mag: Sehr schön!
Niklas Wandt: Andere Gerätschaften, viele kleine, habe ich gekauft von einem Schlagzeuger, den ich sehr sehr schätze und von dem ich mir früher, als ich angefangen habe, mich mit so Free-Jazz-Kram zu beschäftigen, viel auf Platte angehört habe. Irgendwann habe ich ihn mal live gesehen und dann sogar mit ihm gespielt. Paul Lytton heißt der und lebt in der Nähe von Aachen. Total verschrobener Typ. Zum Beispiel der Sound, der auf dem Track »Ahu« dieses ganz krasse DIIING immer zwischendurch macht: das ist eine Klangschale von ihm. Eine große Klangschale, die auf den Rücken gedreht ist und auf die man dann mit so einem Filzschlegel oben drauf haut.

Jan Schulte: Also ich muss auf jeden Fall auch noch auf einen Laden verweisen! Und zwar den Gandharva Loka Laden in Wien. Dort habe ich jedes Mal, wenn ich Wien besucht habe, was ich irgendwie zwei Mal im Jahr mache, all mein Geld gelassen. Dort kommt zum Beispiel diese riesengroße Bass-Okarina her, die der Ursprung für »Lockerina« war. Oder auf dem letzten Stück des Albums spiele ich eine sibirische Maultrommel, die ich dort für 90 Euro erworben habe, weil ich sofort beurteilen konnte, dass die 90-Euro-mäßigen Sound hat [lacht]. Ich spiele einen Deflin, den habe ich hier in einem örtlichen Esorterikladen erworben, auch eine Art Okarina mit einem sehr weichen Klang. Ägyptische Tamborine, die ich in Assuan, einem Staudamm des Nils, erworben habe. Auch eine Edelstahlschüssel, die eigentlich meiner Freundin gehört. Da habe ich beim Spülen rausgefunden, dass die extrem gut klingt.

hhv.de mag: Wenn ihr dann irgendwie neue Percussion-Instrumente mit nach Hause bringt, versucht ihr sofort einen Track darum zu bauen, oder wie kann man sich das vorstellen?
Jan Schulte: Ich probiere schon direkt aus, wie die Mikrofon-mäßig abzunehmen sind. Aber bis man den Track hat, wo die darauf passen, das kann auch mal ein halbes Jahr dauern.

hhv.de mag: Okay, es kann also sein, dass du an einem Track bastelst und dann fällt dir plötzlich ein: aaah, hier passen jetzt die Tamborine vom Nil rein?
Jan Schulte: Genau. Oder, wenn ich in einem Track nicht weiterkomme, gehe ich durch meine Sammlung und schaue, was gut klingt, was passt. Das Teil aus Ägypten ist übrigens wirklich zum ersten Mal auf dem Album zum Einsatz gekommen.
Niklas Wandt: Dieses Teil hat übrigens auch einen richtigen Namen, das heißt Riq. Da gibt eine extrem raffinierte Spieltechnik, in dem man das Ding mit ein paar Fingern der einen Hand auf der Unterseite hält, und mit dem abgespreizten Ringfinger kann man dann die einzelnen Schellen anschlagen. Und mit der anderen Hand hat man noch ein paar Finger obendrauf, da gibts ganz abgefahrene Sachen. Generell diese ganze Welt ist wirklich ein unendliches Universum, also so mit Fingern gespielte Trommeln.

hhv.de mag: Verbindet ihr mit den einzelnen Klängen der jeweiligen Percussions per se schon spezielle Vibes?
Jan Schulte: Ne, es kommt auf das Stück an, auf dem sie benutzt werden. Es gibt natürlich manche Instrumente, die einfach mitbringen, dass sie ein bisschen albern sind, oder schräg klingen. Aber wir versuchen halt gerade sowas, in einem ernsthaften Kontext zu benutzen. Also es gibt auf dem Album sehr viele Elemente, die für sich albern klingen, aber die auf einem Tanztrack sozusagen ernsthaft einen Sinn verfolgen.

Jan Schulte: Ich gucke mal gerade, was wir sonst noch so benutzt haben. Linkshänderschere! Niklas, was ist den zum Beispiel bei der Linkshänderschere passiert.
Niklas Wandt: Ja, das ist ne gute Frage. Ich habe mir immer eine gewünscht.
Jan Schulte: Bist du Linkshänder?
Niklas Wandt: Jaja.
Jan Schulte: Das wusste ich gar nicht.
Niklas Wandt: Kannste mal sehn. Deshalb ist die da reingekommen.
Jan Schulte: Und die Bohnenrassel?
Niklas Wandt: Die ist tatsächlich einfach nur eine getrocknete Riesenbohnenschote, ca. 60cm lang, um man rattelt die halt hin und her und die Samen der Bohnen rasseln so schön. Diese Bohne erhielt ich als Obendreingabe bei einem Instrumentenkauf hier bei einem ghanaischen Trommellehrer, der mir ein Balafon verkaufte. Das ist eine Art Marimba, also auch ein Idiophon auf jeden Fall, ein Selbstklinger, also ein Ding, was nicht durch eine Haut oder ein Blatt oder sonst irgendwas vibriert, sondern das Gerät auf das man haut, vibriert. Egal, Begriffsschärfe ist natürlich essentiell. Mit so Kürbissen unten drunter als Resonanzkörper. Im selben Skit (»Trommelbaum«) kommt noch eine Mini-Djembe zum Einsatz, die haben mir mal meine Eltern so 1995 aus einem Frankreich-Urlaub mitgebracht. Das ist ungefähr die Zeit, in der ich auch angefangen habe, überhaupt so ein bisschen Schlagzeug zu spielen. Eigentlich nichts besonderes, standard Touristen-Djembe, aber sentimental value ist da.

Jan Schulte: Ich habe gerade beim Stöbern durch das »Handbuch der Schlag- und Effektinstrumente« herausgefunden, dass das französische Wort für Schlegel oder Drumstick auch Baguette ist.
Niklas Wandt: Ja, das hatten wir doch neulich schon, natürlich.
Jan Schulte: Ich finde das sehr amüsant.
Niklas Wandt: Das ist für so einen Französisch-Freund wie dich natürlich… ja.

Jan Schulte: Was ist mit den Fingerzimbeln?
Niklas Wandt: Nicht so spannend die Teile. So Meditations-Dinger. Hab ich auch aus dem Laden hier in Köln.
Jan Schulte: Auf jeden Fall auch zur Geltung auf dem Album kommt das Klang- oder Windspiel, das meine Freundin Sarah aus seltsamen Klangstäben gebaut hat, die ich mal in einem Trödelladen erworben habe. Ein selbstgebautes Gerät, das nebenan gebaut wurde, während ich hier im Studio musiziert habe. Ach, was nicht vergessen werden sollte: der Buchla Easel meines Freundes Florian Van Volxem. Er hat den erworben und dann ist der drei Jahre später bei ihm angekommen.
Niklas Wandt: Wie der Trabbi, ne, das ist ja unglaublich.
Jan Schulte: Der ist halt für ihn gebaut worden. Wir sind sehr froh, dass wir den haben, der kommt auf mehreren Stücken zur Geltung.

hhv.dem ag: Wir wollten doch nur über Trommeln reden.
Jan Schulte: Was mir noch einfällt zu dem Album ist, dass ich mich gestern nochmal enorm gefreut habe, dass das Pallas Schallplatten-Presswerk diese Schallplatte presst. Weil ich bei meiner Recherche herausgefunden habe, dass viele meiner Lieblingsalben aus der Kraut- und Fusion-Ecke dort gepresst worden. Zum Beispiel fast der gesamte Schneeball-Katalog aus dem Embryo-Umfeld. Wir stehen also auch dicht in einer Tradition mit der deutschen Musikgeschichte.

Wolf Müller & Niklas Wandt
Instrumentalmusik Von Der Mitte Der World
Growing Bin • 2018 • ab 28.99€
hhv.de mag: Dieser Tradition zu folgen war euch auch ganz bewusst wichtig, oder?
Jan Schulte: Ja, also mir schon. Da beziehe ich meine musikalische Sprache her, die Klangfarbe; der Humor im Subtext, darauf beziehe ich mich schon konsequent. Und letztendlich habe ich dort schon die Inspiräischen bekommen für viele meiner Grooves.

hhv.de mag: Was inspiriert dich denn an dieser Art Musik so sehr, außer dem Humor?
Jan Schulte: Zum Beispiel der Versuch exotische Musik mit den eigenen Mitteln zu machen. Und letztendlich meine ich dort rauszuhören, dass es aus dieser Gegend kommt. Es gibt so einen gewissen Tonus im Fusion-Jazz der Siebziger und Achtziger hier aus Gegend, den wir Westfalen-Krautjazz nennen und darin fühle ich mich sehr wohl. Kannst du da was ergänzen, Niklas?
Niklas Wandt: Einfach nur geil. Also ohne Ende geil, könnte man auch sagen.