Kuhzart kümmert’s – »Minimal Rap«

05.12.13
Wie sagte Slug von Atmosphere so schön: »Not giving a fuck is so played out mainstream.« Das findet auch unser Autor. Er nimmt sich alles zu Herzen – Kuhzart kümmert‘s. Heute: Warum Migos gut für Rap sind.

Rap-Fans sind manchmal merkwürdig. Da erfindet sich ihr Genre immer wieder neu wie sonst kaum ein anderes, und keiner schätzt es wert. Hier zu Lande rümpft man ob neuer Entwicklungen lieber die Nase, winkt ab und schippert in seinem zu Hause auf dem x-ten Dilla-Replikat herum. In den Staaten geht man halt in den Club. Aber reflektieren? Fehlanzeige. Die Rezeption läuft in Hypetrak-Manier ab: »Watch the video above, post your comment below«. Nehmen wir Migos als Beispiel, deren neues Mixtape diesen Monat erscheinen soll. Die drei Rapper aus Atlanta, Georgia prägten dieses Jahr nicht weniger als einen neuen Stil. Und wer hat sich damit befasst? Niemand. Keine Features; selbst die Foren blieben relativ still. Auf der Facebook-Seite von hhv.de mag kommentierten zwei Nutzer Migos’ Video zu »Versace«: »Muy malo« und »Deswege hasse ich Hip Hop« hieß es da.

Warum so spröde liebe Freunde, warum so verschlossen, so garstig? Wahrscheinlich weil Migos alles verkörpern, was man als Rap-Fan aus Deutschland missbilligt: Es geht nur um Materielles, es ist oberflächlich und rappen können die angeblich auch nicht. Wie rappen können die nicht? Wieviele »Illmatics« wollt ihr noch hören? Ist es nicht viel spannender, wenn sich eine Kunstform entwickelt, als wenn jeder andauernd geschmolzene Uhren malt? Wer mit Scheuklappen die Old-School im Klammergriff hält, der erwürgt ein Genre. Rap ist Kunst und Kunst hält sich durch Entwicklung und Diskurs am Leben.

Migos haben mit ihrer Atemtechnik und den Refrains, die weniger Inhalt haben als Joachim Löws Nase nach einem Länderspiel, das Spiel revolutioniert. Die größten Songs von Migos bestehen zu 80% aus den Wörtern »Versace» und »Hannah Montana« – und Vogelzwitschern ###CITI:»Wir erweisen Rap einen Bärendienst, wenn wir Migos einfach abtun, anstatt ihren Stellenwert zu verhandeln«:### Was sich inhaltslos anhört, wird nur inhaltlos, weil es niemand in einen größeren Rahmen setzt. Letztendlich zeichnen nämlich solche Songs auch ein Bild von unserer Welt. Nur haben uns halt die Commons und Co. in ihren Songs dazu aufgefordert, mal darüber nachzudenken, während wir hier selber denken müssen. Es geht mir nicht darum, dass einem das gefallen muss. Aber erkennen, dass jene Art von Rap auch (mindestens) eine zweite Ebene hat, das muss doch drin sein. »Conscious Rap« sagt uns, was los ist mit der Welt. Im Falle von Migos muss der Rezipient eben selbst »conscious«, also bewusst sein, und sich fragen: »Okay, »Versace, Versace« als Lebensinhalt, das ist armselig, aber woran liegt das?«. Auch wenn Migos aus fünfzig Wörtern wählen, um das Gleiche zu erzählen (um hier versöhnlich die Beginner zu zitieren), vermitteln sie Kultur. Rap vermittelt immer Kultur. Und findet dafür immer neue Ausdrucksformen. Ein Luxus! Das nicht zu schätzen ist: merkwürdig.

Natürlich wäre es vermessen, Migos zu attestieren, dass sie von einem reflektierten Standpunkt heraus versuchen den Stand der Kunst zu pushen. Trotzdem: Sind es nicht letztendlich die Theoretiker gewesen, die der jeweiligen Art von Kunst einen Namen gegeben haben? Die Kunst hat sich selbst berechtigt, zu sein; die Kritiker, das Feld der Experten, hat sie zu dem gemacht, was wir jetzt in den Geschichtsbüchern lesen. Wir erweisen Rap einen Bärendienst, wenn wir Phänomene wie Migos einfach abtun, anstatt sie zu kontextualisieren und ihren Stellenwert zu verhandeln. Nennen wir Migos »Minimal Rap« und freuen uns, welche neue Formen dieser wiederum hervorbringen wird. Und so ist letztendlich nicht mal der Rap-Fan besonders merkwürdig, sondern der Kritiker. Die Masse hat immer an der alten Garde festgehalten, es ist die Aufgabe z.B. von uns Journalisten, Migos als avantgardistisch zu erkennen und zum Nachdenken anzuregen. Alles andere wäre nicht nur merkwürdig, sondern Vergeudung von Kulturgut.