Review

Space Dimension Controller

Gaining Time

Dekmantel • 2018

Überraschung steht ja genauso wie sein englischer Vetter »surprise« für eine Attacke, die unerwartet kommt. Diese Vinyl 12″ aus dem Hause Dekmantel darf gerne als Überraschung bezeichnet werden. Space Dimension Controllers Werk hat sich zwar schon 2016 um eine wertvolle Facette erweitert (bzw. von vorangegangen distanziert), doch der Neuling ist nicht anderes als ein unerwarteter Angriff auf unsere Geduld. »Gaining Time« heißt soviel wie »Zeit gewinnen«. Man darf aber sicher sein, dass es hier zunächst um den Verlust von Zeit geht. Immerhin dauern A1 und B1 zusammen schon knapp 30 Minuten und sind auch in einem musikalischem Feld, dem Länge nicht unbekannt ist und diese auch bewusst einsetzt, von besonderer Quantität. Die »Gaining Time EP« kommt aber ob ihrer eigenen Ästhetik sehr unerwartet und scheint innerlich und nach außen hin (zum Rest des Outputs aus dem Hause Space Dimension Controller) auch schwer zerrissen. Auf die Landkarte kam er 2010 durch zwei Veröffentlichungen auf R&S, danach eine LP: Alles gut-gemachter House mit Tech-Elementen und zumindest im Spiel mit futuristischen Positionen. Damals klang noch die englische Techno-Schule raus. Auf »Orange Melamine« auf Ninja Tune klang man plötzlich im Hipster-Himmel. Verspulte (sic!) Sounds aus dem Kassettenaufnahmegerät, die sich weitestgehend dem Tanzdiktat verweigerten. Die Nähe zu Bandproduktionen und elektronischen Avantgardismen war eine frische Brise, die man gerne entgegen nahm.Nun aber muss man sich Sorgen um den fast schon übertalentierten Engländer machen: Wie spielerisch er auf dem Opener Kraut-Disko-Haus aus Norwegen emuliert, ringt einem ein lautes »Oha!« ab. Prins Tomas und Todd Terje grüßen heftig aus »Everything Is Better Now«. Das Spiel mit der Zeit, das minimalen Tracks inhärent ist, wird hier ausgelebt und durch gezielt gesetzte Synth-Hooks auch ausgekostet. Alles angetrieben durch einen nie-enden-wollenden Arpeggiator. Noch überraschender ist die Vinyl-B-Seite mit dem experimental-Stück »NRG Intersect«. Wo gerade noch Spiellust herrschte, taucht man urplötzlich im soundtrackhaften-düsteren Kosmos ab. Vor dem geistigen Auge erscheint »Requiem For A Dream« als cineastische Referenz; auch an Burzums »Rundgang Um Die Transzendentale Säule Der Singularität« könnte man erinnert werden. Sicher ist nur, dass man diese EP selbst beim dritten, vierten Hören mit Erstaunen annimmt – und überrascht bleibt.