Review

Gas

Rausch

Kompakt • 2018

Wolfgang Voigt mag es, auf der Kippe zu agieren. Mit Gas mehr als mit jedem anderen Projekt. Zwischen slicken Clicks’n’Cuts ließ der Kompakt-Mitbegründer es von der Mitte der 1990er Jahren dröhnen, knistern und – ja, natürlich – rauschen. 2000 schien mit »Pop« alles gesagt, das neue Jahrtausend wurde erst mit 17 Jahren Verspätung begrüßt: »Narkopop« hatte, dem Titel entsprechend, etwas Sedierendes und Eingängiges an sich. »Rausch« knüpft da thematisch an, zeigt sich aber ungemein konsequenter und nicht zuletzt ambivalenter als der Vorgänger. Konzeptstärke statt Schnellschuss: Als durchgängige Komposition angelegt bringt das Album wieder viel pumpende Kickdrums am unteren Ende der Techno-Geschwindigkeitsskala mit sich, schmiert Bläser und Streicher durch den Mix und gibt sich auch sonst so malerisch wie sein grün-dunkles Cover es verspricht. Wolfgang Voigt kanalisiert urdeutsche Romantik durch einen impressionistischen Duktus, der versprochene »Rausch« gehört zum Teil auch dem Rauschen der Baumwipfel an. Alles verschmiert sich, siedet, kondensiert – der Rest ist Gas Opiate, fein in die Luft verstäubt und bestens dosiert. Über eine knappe Stunde bringt Voigt seinen Entwurf einer elektronischen Marschmusik nach zu gleichen Teilen Mahler und Mille Plateaux auf eine ambivalente Spitze, auf der die zahlreichen Bedeutungsebenen schwanken. Von ganz oben, auf der Kippe eben, hat er sein vielleicht bestes Gas-Album überhaupt abgeliefert.

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Rausch
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