Review

Boy Harsher

Careful

Nude Club • 2019

Unter den zahllosen gemischtgeschlechtlichen Düster-Wave-Duos stechen Boy Harsher zurecht heraus. Seit 2014 klatschen uns Augustus Muller und Jae Matthews unter diesem Namen die besten Früh-Achtziger-Synthsounds um die Ohren, die nicht aus den frühen 1980er Jahren kommen. Was sich seltsam anfühlt, denn was sollte man sich zu dieser Musik anderes vorstellen, als in Zeiten der nahenden atomaren Vernichtung ekstatisch tanzende Schwarzgekleidete im SO36? Stimmt, in Zeiten des digitalen Kontrollverlusts, der nahenden Klimakatastrophe und der faschistischen Bedrohung ekstatisch tanzende Schwarzgekleidete im Monate vorher ausverkauften Berghain im Frühjahr 2019. Mullers knackig-präzise Synthesizer und Matthews’ gesangliche Um-den-Finger-Wickelei prägen den Boy-Harsher-Sound, der lässig dystopischen Nihilismus, Laszivität und extreme Tanzbarkeit vereint. »Careful« geht den bislang beschrittenen Weg weiter, entfernt sich weiter vom aggressiven Lo-Fi-Gekrache der Debüt-EP »Lesser Man« und folgt dem elegischeren Synth-Sound des letzten Albums »Yr Body Is Nothing«. Was noch lange nicht heißt, dass die Kost damit leichter wird: Der wohl hellste Song der Platte, das schon fast als Uptempo-Stück durchgehende »Lost«, lässt immer noch an die düstersten Achtziger-Wave-Stücke denken, die einem so im Ohr hängen. Falls die wirklich aus den Achtzigern kamen.