Review

The Comet Is Coming

Trust In The Lifeforce Of The Deep Mystery

Impulse • 2019

Jazz hat Konjunktur. Das lässt sich nicht nur an den Revivals ablesen, die dem Genre seit zehn, zwanzig, dreißig Jahren allenthalben unterstellt werden. Neue alte Stilhybride jenseits von Post-Bop und Fusion entwickelten sich in jüngster Zeit auch tatsächlich öfters zu chronisch eigenständigen Combos, wie sie eben besonders in mal mehr, mal weniger erfundenen Hochphasen eines jeden Genres auftauchen können. Den großen Hype erlebt das Vereinigte Königreich mittlerweile zwar vor allem in politischer Hinsicht, zweifellos ist hier aktuell aber auch musikalisch so manches gebacken. Denn trotz spätkapitalistischer Verwerfungen und Venuesterben in den Städten, wird seit ein paar Jahren von London bis Liverpool ein faszinierender Künstler nach dem anderen in diesen merkwürdig neu belebten britischen Jazz geboren, der mindestens seit den Heydays von Bill Bruford oder Django Bates nicht mehr so produktiv erschien – wenn er es überhaupt je war. Geht es um Qualität und Quantität absurd guter Bandprojekte, kann Shabaka Hutchings mit dem Portfolio der meisten aktiven Genregrößen locker mithalten. Der Saxofonist produziert gegenwärtig atmosphärischen Spiritual Jazz als Shabaka And The Ancestors, dubbigen Fusion-Funk samt Karibikflair mit den Sons Of Kemet und verschmilzt bei The Comet Is Coming die jugendliche Energie von Yoko Kannos Band The Seatbelts mit dem Afrofuturismus eines Sun Ra während parallel Floating Points oder Flying Lotus gechannelt werden. Puh! Im Spagat zwischen all diesen Eklektizismen bleibt das jetzt veröffentlichte zweite Album von The Comet Is Coming »Trust In The Lifeforce Of The Deep Mystery«, dem Hörer trotzdem zu keiner Sekunde eine ästhetische Rechtfertigung schuldig – im Gegenteil. Der Reiz von euphorisierenden Upbeat-Nummern wie »Summon The Fire« ist ein anderer, als der des schwer groovenden Features mit Kate Tempest »Blood Of The Past« oder des luziden Space-Bop in »Super Zodiac« – und trotzdem zockt das Trio aus King Shabaka, Betamax und Danalogue jeden Track in den rund 46 Minuten ebenso souverän wie traumtänzerisch runter. Musik, die selbst in ihren ruhigen Momenten wild und vital klingt, sich vor der Vergangenheit verneigt und anschließend voller Vorfreude gen Zukunft blickt. Warum sonst erscheint das Teil wohl bei Impulse!?