Review

Quelle Chris

Guns

Mello Music Group • 2019

War Danny Browns »Atrocity Exhibition« ein selbstzerstörerischer Blick durch das US-amerikanische Schlüsselloch im Jahr 2016, hebt Quelle Chris mit »Guns« die ganze Türe aus den Angeln. Wieso nur heimlich spähen, wenn man mit einem Überschuss an kreativem Potenzial am ganzen abgefuckten System rütteln kann? Nachdem er erst 2018 mit seiner Verlobten Jean Grae ein Album mit dem ironisch-verheißungsvollen Titel »Everything’s Fine« veröffentlichte, dürfte sich der dystopische Ausblick mit selbstironischem Unterton auf seinem fünften Soloalbum für Mello Music Group ins Gegenteil verkehrt haben. Die Ironie ist geblieben. Aber mittlerweile entwickelt sich die Idee der Dystopie zu einer real existierenden Gegenwart. Also wird mit scharfen Worten geschossen. Quelle Chris der aus Detroit stammt und mittlerweile in Brooklyn lebt, hat ein Hip Hop-Album geschaffen, das sich in all seinen Referenzen am späten Goldenen Zeitalter des Genres abarbeitet und doch aktueller klingt als es gesichtstätowierte Cloudrapper mit ihrem Autotune-verzerrten »Gucci Gang«-Gebrabbel jemals auf die Reihe brächten. Quelle Chris’ Stimme ist so unaufgeregt und trocken, dass sie die größten Sandwüsten der Welt wie eine lebensaffirmative Oase wirken lassen. Die Energie auf Stücken wie »Obamacare«, »PSA Drugfest 2003« oder »Straight Shot« geht nicht von seiner Tonlage aus. Sie kommt vielmehr von selbstreflexiven Texten, die sich gegen egomanische Präsidenten, Lügen und der geistlosen Gewalt in seinem Heimatland richten. Er entwaffnet die Angst mit kritischer Distanz, feuert nicht mit leeren Worthülsen, sondern lädt seine Lines mit metaphorischen Referenzen auf, um sie in Samples aus TV-Werbungen oder Piano-Samples aufzulösen. Unterstützt von exzellenten Gastfeatures wie Denmark Vessey, Mach-Hommy und Bilal Salaam hat sich Quelle zur softesten und doch irgendwie lautesten Stimme im derzeitigen Rap entwickelt.

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Quelle Chris
Guns
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