Review

Gigi

Illuminated Audio

Time Capsule • 2019

In den 1990er Jahren wird die Welt zunehmend komplizierter. Auch für Ejigayehu Shibabaw, die 1998 im Alter von 24 Jahren den afrikanischen Kontinent verlässt, nachdem sie in Äthiopien aufgewachsen war und sich in Kenia und Mali als Sängerin erste Sporen verdient hatte. Ihre ersten beiden Alben widmete sie der äthiopischen Diaspora, doch erst ihr selbstbetiteltes Album unter ihrem Pseudonym Gigi machte sie 2001 bekannt. Zwei Jahre später ließ sie beziehungsweise ihr Ehemann, der Bassist Bill Laswell, die Platte Revue passieren. »Illuminated Audio« entkernt fast alle der Songs von »Gigi« und raubt dem Album über weite Passage den tragenden Stimmeinsatz Shibabaws. Wie schon andere Dub-Experimente Laswells zuvor formiert sich in den zehn Stücken ein Update dessen, was Jon Hassell mehr als zwei Jahrzehnte zuvor als »Fourth World Music« bezeichnet hatte. Zwischen den sanft treibenden Tönen des hymnischen Openers »Abay« – am Anfang ist sie noch zu hören, die Stimme Gigis – und dem minimalistischen Unterwasser-Folk mit Synthie-Beigabe der abschließenden Coda »Guramayle (Slight Return)« versucht Laswell jedoch weniger, das Gefühl von weiter Welt zu vermitteln, als vielmehr tief ins Gefühlsleben der Originale vorzustoßen. Dazu wird der Bass aufgedreht, einige Elemente aus dem Mix verbannt und manche umso exponierter rausgestellt, vor allem aber geht es immer haarscharf an der Grenze zwischen Gniedel-Kitsch (Saxofon-Soli? You bet.), Fahrstuhlmusik und verunfalltem Drum-Circle-Pathos entlang zum Ziel. Über weite Strecke geht es aber vor allem: gut. »Illuminated Audio« verhedderte sich denkbar und dankbar wenig in den üblichen Fallstricken ähnlich gelagerter Projekte. Es ist ein denkbar unkompliziertes Album, das sein Anfang in komplizierten Zeiten nahm.