Review

Pharoah Sanders

Live In Paris 1975

Transversales Disques • 2020

80 Jahre wird Farrell »Pharoah« Sanders in diesem Jahr alt und erlebt einen je nach Zählweise dritten oder vierten Frühling. Frühe Alben wie »Izipho Zam (My Gifts)« wurden vor Kurzem ebenso neu aufgelegt wie Sanders’ kongeniale Kollaboration mit Maleem Mahmoud Ghania aus dem Jahr 1994 oder das 1991 veröffentlichte »Welcome To Love«. Dass recht wenig neues Material erscheint? Geschenkt. Die Gelegenheit für eine Wiederentdeckung seines Backkatalog scheint schließlich umso günstiger: Jazz ist wieder im Mainstream angekommen und in den Crates von Special-Interest-Stores reihen sich Compilations mit der Sorte aneinander, welcher der Tenor-Saxofonist das Beiwort »Spiritual« verliehen hat. Alle wollen ein Stück vom Kuchen und Sanders bekommt im hohen Alter hoffentlich das größte davon ab. Mit »Live In Paris 1975« legt das französische Label Transversales Disques nun erstmals einen Radio-Mitschnitt auf, der in einer Umbruchszeit im Schaffen Sanders’ entstand. Kurz zuvor hatte er mit dem Label Impulse! gebrochen und befand sich in einer Phase stilistischer Neuorientierung. Die exzellent gemischte, glasklare Aufnahme – lediglich der forciert hereinmontierte Applaus trübt das Klangbild hin und wieder – versammelt essentielle Stücke wie »I Want to Talk About You« und »Your Creator Has a Masterplan«, das von einem sensationellen Orgel-Finale abgerundet wird. Überhaupt: Danny Mixon stiehlt seinem Bandleader mehr als einmal die Show. Auf den zwei Parts von »Love Is Here« und dem »Farrell Tune« bildet sein nervöses Klavierspiel das schlagende Herz des als Quartett aufgenommenen Auftritts, der mit dem schweißtreibenden Call-and-Response-Gesang von »Love Is Everywhere« und einem erneuten Orgel-Freak-Out endet. »Live In Paris 1975« bietet gleich mehrere Facetten von Sanders’ Schaffen – die gospeligen Anklänge ebenso wie fiebrigen Bebop und Free-Jazz-Anleihen. Im selben Zug beweist es, wie Sanders gemeinsam mit Mixon, Calvin Hill am Kontrabass und Schlagzeuger Greg Bandy selbst in einer schwierigen Phase seiner Karriere das allerbeste aus altem wie neuem Material herausholen konnte.