Review

Nick Cave

Stranger Than Kindness

Canongate • 2020

»Was man in diesem Buch sieht, lebt in der komplizierten Welt, die um die Lieder herum aufgebaut ist und in der die Lieder leben«, schreibt Nick Cave in der Einleitung zu »Stranger Than Kindness«. Es ist seine Biografie, sein Leben, seine Geschichte – zusammengehalten von zwei Buchdeckeln und 270 Seiten, auf denen sich Nicholas Edward Cave in Nick Cave verwandelt. Man kann ihm dabei zusehen, auf Fotografien aus einem Loft im Kreuzberg von 1983 oder den handgeschriebenen Texten von »Your Funeral … My Trial«, den Zeichnungen und Kritzeleien, mit denen er Notizbücher füllte und originalen Artworks. Alles nice, hat man vielleicht noch nie gesehen. Aber viel mehr als die Deluxe-Edition der vorletzten Platte gibt das Zeug nicht her. Deshalb würzt Cave die Sache nach mit – eh klar – Tod und Leben, Geist und Körper, Teufeln und Heiligen. Pin-Ups räkeln sich neben Andachtsbildern, Skizzen nackter weiblicher Torsos zerschießen Marienbildnisse, und dank der Ausschnitte aus selbstgebastelten Wörterbüchern, die mit Blut, – Kaffee, -oder unbestimmbaren Flecken gesprenkelt sind, wissen wir jetzt auch, was Autogamie bedeutet. Selbstbefruchtung nämlich. Cave nennt diese Dinge das »periphere Zeug«, das »geheime und ungeformte Eigentum des Künstlers«. In »Stranger Than Kindness« zeigt es seine Arbeitsweise, das Interesse für Sünde und Erlösung und einer Obsession, die aus Trauer, Verzweiflung und dem transformativem Akt der Sprache hervorgeht. »Es ist das Material, das die offizielle Arbeit hervorbringt«, schreibt Nick Cave. Ein Buch, das den Blick ins Vergangene wagt, um seine Gegenwart greifbarer zu machen.