Review

Hans Nieswandt

DJ Dionysos

Kiepenheuer & Witsch • 2011

Mit seinem nunmehr dritten Buch DJ Dionysos betritt Hans Nieswandt den Pfad seiner erfolgreichen Anekdotensammlungen plus minus acht sowie Disko Ramallah und berichtet abermals allerhand Skurriles und Amüsantes von seinen Tätigkeiten als DJ oder Kulturreferent. Kaum ein Ort auf dieser Welt – sei es in der heimischen Provinz oder schillernden Metropole – den der erfolgreiche Ex-Redakteur, Whirlpool-Produzent und vor allem DJ in seiner zwanzigjährigen Karriere nicht besucht hat. Im Auftrag des Goethe Instituts jettet der Kölner seit etlichen Jahren regelmäßig zwischen den Kontinenten und leistet Überzeugungsarbeit und Aufbauhilfe in den Klubs Vietnams, Südafrikas oder dem russischen Hinterland.
Soviel Renommee lässt aufhorchen und macht Nieswandt auch für den hiesigen Kulturbetrieb interessant: Ob die moderne Inszenierung eines Shakespeare-Dramas, die realitätsgetreue Darstellung eines DJs fürs Kino oder ein Beitrag über die neue weibliche Sexualität – alle wollen Nieswandts Meinung, wollen vor allem die »DJ-Perspektive«. Schließlich eignet sich ein DJ, der über Jahrzehnte weltweit die Menschen zum Tanzen bringt und dabei beobachtet, zum Anthropologen erster Güteklasse. Mit subtilen hanseatischen Humor schreibt Nieswandt allerlei Groteskes und Komisches dieser Begegnungen auf. Und man liest gerne mit.

Von Anthropologen und anderen Schutzheiligen
DJ Dionysos ist allerdings noch mehr als gesellige Situationsbeschreibung. Hans Nieswandt versucht sich nun auch als Romancier einer fiktiven Historie über DJ-Generationskonflikte und den »Clash der Techniken«. Typografisch abgesetzt von den autobiografischen Anekdoten Nieswandts, träumt Romanheld DJ Dennis von einer Weltkarriere als Discjockey. Ausgestattet mit eigenen Edits und dem allmächtigen DJ-System »Scratchtato« feiert er in der Provinz erste Erfolge und knüpft ein kleines Netzwerk, das ihm schnell erste Bookings in schillernden Metropolen sichert. Dennis trinkt Cocktails (»Wurstwasser«, »Wodka Physalis«), tauscht sich aus mit seinen neuen Freunden (dem Beppster und Dudi Rutschke) und flirtet mit der verheißungsvollen Bookerin Dalia. Dass nach diesem raketenhaften Aufstieg schnell auch ein authentischerer DJ-Name her muss, wird ihm schlagartig klar. »DJ Dionysos« ist geboren, der Schutzheilige der DJs.
Schnell wird deutlich: Nieswandt verzichtet auf den trockenen Humor seiner biografischen Geschichten und setzt im Romanteil auf überspitzte Plattitüden. Mag sein, dass diese Polemisierung gewollt hat, sie hat bisweilen System. Doch was will uns der Autor damit sagen? Verdruß, Bitterkeit? Oder ist am Ende doch alles nur Humor und der Diskurs so nötig wie ein Kropf? Das bleibt, bei allen reizvollen Argumenten des Buches, leider im Unklaren. Als Beitrag zur Debatte der nimmermüden Diskussion um die DJ-Techniken von Zukunft und Vergangenheit ist DJ Dionysos damit nicht zu gebrauchen. Macht aber nichts. Denn von Geschichten aus der Diskowelt, kann man ohnehin nicht genug zu lesen bekommen.

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