Review

Bill Orcutt

How The Thing Sings

Editions Mego • 2011

Bill Orcutt hat wieder seine ramponierte Gitarre vom Dachboden geholt. How The Thing Sings nimmt genau die Fäden auf, die A New Way To Pay Old Depts vor zwei Jahren liegengelassen hat und arbeitet an einer Variante von postmodernem Blues. Die Musik besteht im Prinzip aus drei Komponenten: dem Instrument, in diesem Fall eine Gitarre, lose gestimmt; dem Instrumentalisten, hier Bill Orcutt, der die Saiten der Gitarre auf einmalige Art und Weise faltet; der Raum, der die Töne der Gitarre transportiert, aber auch Resonanzraum für anderes ist. Dieses andere ist hier entscheidend. Das Mikrofon ist nämlich so im Raum installiert und eingestellt, dass wirklich jedes Geräusch hier zu hören ist. Da ist der falsche Ton, das Fallen der Fingerkuppe auf den Instrumentenkörper, das Gleiten über die Saiten, das bewusste Ausstellen des Instruments als Wesenheit. Und dann hört man noch in den Raum hinein, hört wie das Flanellhemd von Bill Orcutt Falten schlägt, hört das Schnauben durch die schiefe Nasenscheidewand und in ruhigen Momenten das Knistern des Staubes. So ist es nicht nur das Können, das beeindruckt, also die Technik in rasender Geschwindigkeit Tonfolgen zu deklinieren, sondern eben auch die Methode sich und seinen Raum zu einem Teil der Musik werden zu lassen. Wenn Bill Orcutt wie in The Visible Bosom kräht, jauchzt und miaut, während seine Finger flink wie Mäuse über die Saiten huschen, dann ist das ein unmittelbares, körperliches Erlebnis. Orcutt wechselt in den 35 Minuten Spielzeit zwischen wachrüttelnder Predigt und introvertiertem Selbstgespräch hin und her, hinterfragt sich, sein Instrument, den Rezipienten auch und erzählt von Dingen, die durch Worte nicht mehr artikulierbar sind, sondern nur noch durch Gefühl, durch Trauer, Wut, Schmerz und Liebe. Und sollte nicht genau das die Definition jeder Musik sein?