Review

Various Artists

Minimal Wave Tapes Vol.2

Stones Throw • 2012

Harmonien mögen innerhalb von Dekaden mit der Mode wechseln, die Wirkung, die bestimmte Klänge ungeachtet ihrer Herstellungsweise durch die lange menschliche Evolution hindurch entfalten, bleiben möglicherweise ähnlich. Das ist es wohl, was den Reiz am Retrofuturismus ausmacht, der mit seiner doppelten Konzeption – die Zukunft aus der Sicht der Vergangenheit und die Vergangenheit aus der Sicht der Zukunft – Sensibilitäten sowohl für Beständigkeit als auch Veränderung ästhetischer Wahrnehmung entwickelt und miteinander in Verbindung setzt. In seinem vielbeachteten Buch »Retromania« setzt sich der britische Autor Simon Reynolds unter anderem mit dem Phänomen der Geschichtskorrektur durch nachträglich erfundene Genres auseinander. »Minimal synth« beispielsweise »describes a seemingly inexhaustible seam of do-it-yourself electronic music from the early eighties that was low-budget and usually self-released, often in cassette-only form«. Mit dieser Beobachtung trifft er haargenau die Idee hinter der Compilation-Reihe »The Minimal Wave Tapes«, dessen zweite Veröffentlichung soeben erschienen ist. Auf ihr findet sich eine interessante Auswahl an Musik, die höchstens einer Handvoll von Leuten bekannt gewesen sein dürfte. Aus einer Zeit stammend, in der »minimal« noch wesentlich durch die technische Ausrüstung determiniert war, finden sich auf der Platte 14 Tracks, die ein beindruckendes Beispiel darstellen, wie man aus der Not eine Tugend machte, gegen den Mainstream schwamm und mit großer Liebe zum Detail collagenhafte Soundschnipsel in mühesamer Handarbeit hinter avantgardistischen Elektrobeats verschwurbelte. Für die einen typisch postmoderner anachronistischer Ausverkauf, für die anderen – und dem schließe ich mich an – posthume Wiederauferstehung zeitloser Perlen, die nicht vor die Säue geworfen werden sollten.