Review

Harry Pussy

Let’s Build A Pussy

Editions Mego • 2012

In der Welt der experimentellen Musik ist die Idee oftmals mehr Wert als das Ergebnis. Diesen Modus Operandi hat sich die Kunstwelt, welchen im Schatten des »es ist schon alles gemacht worden« verzweifelt nach Lebensberechtigung sucht, seit einigen Jahrzehnten zu eigen gemacht. Die Gefahr besteht im ersten Moment auch bei Harry Pussys »Let’s Build A Pussy«. Das letzte Album der einflussreichen Noise Rock-Band aus dem Jahr 1998 ist ein kurzer erstickender Aufschrei der Drummerin und Vokalistin Adris Hoyos, den Gitarrist Bill Orcut ins Unendliche streckt. 300 Millisekunden werden 600 Millisekunden, eine Sekunde, dann 2,1 Sekunden, um sich endlich in ein 60-minütiges Gebirge aus Schallwellen zu erstrecken.Die Idee ist interessant, die Umsetzung per Mausklick dauert keine fünf Minuten. Überraschend ist das Ergebnis, welches nun über Edtions Mego auf Doppel-LP wiederveröffentlicht wird. Natürlich sind es letztlich nichts weiter als ellenlange Sinuswellen, die einen über Kopfhörer zum Wahnsinn treiben können und selbst meinen Tinitus zum Flimmern bringen. Mit absoluter Sicherheit wird »Let’s Build A Pussy« auch nirgends auf Dauerrotation laufen. Dennoch sind die Details, welche sich aus dem um das Zwölftausendfache verlangsamte Schreien herausschälen, faszinierend. Allein die Fülle der verschiedenen Töne, welche sich innerhalb der 0,3 Sekunden verbergen, ist irritierend und spannend. Als würde man auf eine scheinbar spiegelglatte Glasfläche schauen und plötzlich, Schritt für Schritt all die kleinen Risse, Fehler, Löcher und Einschlüsse wahrnehmen, ohne deren Form exakt zu begreifen.