Review

Frank Ocean

Channel Orange

Def Jam • 2012

Niemand redet gerne über »Channel Orange«. Völlige Verunsicherung überall, nur weil einer zugibt, ein bisschen »homo« zu sein. Das war schon immer so. Der Schreiberling von Pitchfork zum Beispiel empfindet Oceans Coming-Out-Brief als »stunningly written«, findet ihn »brave« und attestiert Frank Ocean wegen seinem Umgang mit der Sache am Ende der Review »wisdom«. Dazwischen irgendwas über Musik. Es ist ein Beispiel von vielen da draußen, in dem verkrampft versucht wird, in einer Review angemessen auch die Sexualität des Mannes mit einfließen zu lassen. Wodurch nicht selten die Musik in den Hintergrund geraten ist. Nun ist die Vinyl-Version von »Channel Orange« erschienen, etwas Zeit vergangen und wir können nochmal eine Einordnung wagen. Textlich ist »Channel Orange« nicht DAS poetisches Meisterwerk und kein alleinstehender Gegenpol zu all den heterosexuellen, gestählten Schwänzen in einer hyperpotenten R&B-Welt (so wie es so einige Portale gerne hätten). Sicher: Frank Ocean strotzt vor Feinfühligkeit und weiß die Dinge aufzufassen. Dazu versteht er es, verschiedene Aspekte des Lebens glaubhaft auf Albumlänge zu vereinbaren – aber das konnten auch schon Stevie Wonder und Co. Auch musikalisch gibt es keinen Grund direkt mit A+, 9.5 und fünf Sternen um sich zu schmeißen. Diese Superlative hätte Frank als Hete nicht bekommen – hands down! Nun ist mir aber scheißegal, ob Frank Ocean Männern, Frauen, oder Dromedaren an die Höcker fassen will. Was bleibt, ist ein gutes Album. Ein modernes Soul-/R&B-Album, das zeitgenössische Ansätze (»Pyramids«) mit nostalgischen paart und sich damit nicht selber spaltet. Außerdem beinhaltet das Album mit »Thinkin‘ Bout You« einen Song, der einfach, wunderschön und vielleicht sogar zeitlos ist. »Channel Orange« als Ganzes ist das nicht; dafür sind drei, vier Tracks einfach zu schwach.