Review

Moritz Baßler, Robin Curtiz, Heinz Drügh u.a.

POP – Kultur & Kritik

transcript Verlag • 2012

Pop hatte es lange schwer im wissenschaftlichen Diskurs. Zumindest in Deutschland. Ich bilde mir gerne ein, dass daran das, durch die »Kulturtheorie«-Thesen angespannte, Verhältnis von »kritischer Theorie« und Popkultur mitverantwortlich war. Das Denkgerüst von Adorno, Horkheimer & Co. war jedenfalls eine Weile maßgeblich in der Geisteswissenschaft hierzulande und es brauchte eine Weile und ein wachsendes Bewusstsein für die Komplexität, die Pop als Thema innewohnt, bis an den Akademien der Knoten platzen konnte. Bis dahin wurde die Pop-Theorie halt außeruniversitär erdacht, »in Kneipen, im Club, in Musikmagazinen wie ›Sounds‹ und ›Spex‹« (Nadja Geer). In den letzten zehn Jahren haben die Wissenschaftler vermehrt das Zepter in die Hand genommen und nun drehen sie den Spies endgültig um und gehen unter die Publizisten. Einfach »Pop« heißt das neue Magazin, das Kultur-, Literatur- und andere Geisteswissenschaftler (mehrheitlich aus Siegen, Nordrhein-Westfalen) fortan halbjährlich veröffentlichen wollen und sich möglichst schnell und wissend zu aktuellen Fragen des Populären äußern wollen. Ein einheitliches Verständnis von »Pop« gibt es nicht, soll es auch nicht geben, der »Hyper-Konnektivität des Populären« (Urs Stäheli) wird gefrönt, aber das garantiert Vielfalt und zwingt die Autoren umso eher ihre Position zum Thema darzulegen. Der berühmte Soziologe Dick Hebdige nähert sich Morrissey (»Hier mein Geständnis: Ich mag Morrissey nicht.«), Thomas Hecken fasst diverse Pop-Konzepte zusammen, Aram Lintzel schreibt über »Hypnagogic Pop«, Georg Seeßlen hinterfragt die Popularität der »Feelgood Movies«, Moritz Baßler bespricht Bücher von Simon Reynolds und Joshua Clover und bekennt sich nebenbei als Fan von We Were Promised Jetpacks;

»Hier mein Geständnis: Ich mag Morrissey nicht.«

Dick Hebdige
und so geht es munter und bunter weiter. Wenn Nadja Geer in ihrem kurzweiligen Essay erst, dem Kollegen Hecken widersprechend (»Warum so streng?«), die Utopie als Gedanke im Pop zu erhalten versucht, dann anhand ihrer Pop-Annäherung das Theater von René Pollesch erklärt, nebenbei darauf aufmerksam macht, dass der Pop-Diskurs eine ziemlich männliche Angelegenheit (»ungefähr ein 3:1-Verhältnis«) ist und schließlich noch eine Lanze für den »New Materialism« bricht, dann funkelt Pop allein auf diesen 8 Seiten in so vielen Farben, wie nur selten in den Texten der berufsmäßig Pop vermittelnden Journaille. Wenn dann auch noch Bernhard Pörksen dafür plädiert, dass sich Geisteswissenschaftler, um den medialen Anschluss wiederherzustellen, »als Spezialisten für das Allgemeine« begreifen sollen, weil »sie stets perspektivische Alternativen bereithalten«, dann sollte uns Pop-Journalisten Angst und Bange werden. Oder Motivation sein, unser Thema wieder richtig ernst zu nehmen.

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