Review

Jose James

No Beginning, No End

Blue Note • 2013

Wer kann sich noch an den Moment erinnern, als er zum ersten Mal Jose James’ Debüt-Opener »Love« gehört hat? Ist bei mir, wie bei den meisten, eingeschlagen wie ‘ne Bombe und hing mir fortan wie ein Tinnitus im Ohr. Hier war endlich der Wunderknabe, der dem Jazz des 21. Jahrhunderts seine Stimme gab. Und so konnten die Gelehrten und Weisen des Genres auch nicht genug bekommen von ihren geliebten Standards, die er in modernem Gewand in neuem Glanz erstrahlen liess. Als Neuankömmling war er anfangs wohl mehr als zufrieden damit, den alten Herren das Wasser reichen zu dürfen, während er ihnen ihre alten Treter und Pokale auf Hochglanz polierte. Seine Fähigkeiten überstrahlten dabei so sehr alles bislang vergleichbar Dagewesene, dass sogar er bisweilen vergaß, warum dem so war. Und zwar, weil er ein begnadeter Sänger ist, der wohl mit Jazz großgeworden und ihm mehr als gewachsen ist, aber seine gefundene Nische alles andere als standardisierbar ist. Das hat er vor allem mit Gastauftritten bei eben jenen Künstlern unter Beweis gestellt, die es verstehen ähnlich subversiv mit den Traditionen des Genres umzugehen. Unter meinesgleichen hat er eben nicht unter Begleitung von Jef Neve, sondern beim Brückenschlag mit Jazzanova, DJ Mitsu, Just A Maestro oder Toshio Matsuura wahre Grösse erreicht. Blackmagic war bereits ein bedeutender Schritt weg vom dem ihm verpassten Markenzeichen, indem man den Rohbau von mehreren Tonarchitekten diverser Stilrichtungen errichten ließ. Und jetzt endlich beim Jazzlabel Nummer Eins unter Vertrag genommen, baut er überraschender Weise auf eine Blaupause, in der der ihm nachgesagte Stil in vielen Songs nur noch als gut camoufliertes Wasserzeichen auftaucht. Die Stilgrenzen verschwimmen zusehends und werden nun vom Singer/Songwriter José James mit World Music, Pop und Dub geflutet, bis das der BBoy-Crooner teilweise vollkommen untergeht. Dass er damit von dem von so vielen erwarteten Kurs abtreibt, steht außer Frage. Es bleibt einem aber nichts anderes als die verlässlichen Strömungen hinter sich zu lassen, um neues Land zu entdecken. Und jenes von ihm für sich entdeckte, ist verheißungsvoller denn je.