Review

Bill Callahan

Dream River

Drag City • 2013

Bill Callahan ist einer der wenigen seines Fachs, der immer noch aufhorchen lässt. Selbst nach über 15 Alben und 23 Jahren Dienstzeit ist dieser Singer/Songwriter wirklich noch mit Visionen versehen und dem Drang, den ausgelaugten Boden neu zu beleben. So wurde auf seinem letzten Album »Apocalypse« (2011) sein Folk plötzlich zu einer Art reduziertem Funk. Das minimalistische Gerüst aus kratziger Gitarre, das diese Platte ausmachte, wird auf »Dream River« nun durch Percussion, Klanghölzer und Flöten ergänzt. Es gibt Anklänge von Krautrock, Soul und Fusion Jazz und immer wieder ein Gefühl von – ja, wirklich – Tropicana. Das macht »Dream River« dennoch nicht zu einem opulenten Werk. Callahan versteht es zu reduzieren. Jedes Element hat einen genauen Platz und wird mit höchster Präzision eingeflochten. Durch all diese Kompositionen paddelt Callahan auf seinem kleinen Floß und erzählt seine Tagtraum-Geschichten. Auch diese haben eine Metamorphose vollzogen, denn der sonst in seiner Grundstimmung eher traurige Callahan zeigt auf »Dream River« eine neu gewonnene Lebensfreude. Wenn er auf dem Kleinod »Small Plane« singt: »Sometimes you sleep/while I take us home/That’s when I know/we really have home«, klingt der 1966 geborene Musiker gar zufrieden und angekommen. In diesem kleinen stillen Moment findet sich das größte Glück seines kleinen Flugzeugs, das er steuert. Trotz der Offenheit begleitet uns dennoch kein himmelhoch jauchzender Bill Callahan durch das Album. Selbst in den glücklichsten Momenten bleibt die alte Melancholie gegenwärtig. Seine Texte entgleiten dem Hörer stets wie kleine Schlangen. Callahan pausiert mitten im Satz, lässt den Hörer sein eigenes Ende entwickeln, nur um dieser Erwartung mal mit ironischer Absurdität, mal mit ungeheuer genauen Beobachtungen, mal mit unverhoffter Zärtlichkeit den Boden unter den Füßen fortzuziehen. Die Worte entfliehen nur schwerfällig dem halb geöffneten Mund. Als würde Callahan die Texte erst beim Singen schreiben und mit jeder Formulierung hadern, um sicher zu gehen, dass es wirklich die absolut korrekte Wortwahl ist – präzise im Detail, ohne Schmuck und all dem Brimborium.