Review

Neneh Cherry

Blank Project

Smalltown Supersound • 2014

Wie viele Comebacks der letzten Jahre hatten noch immer dieselben Perücken auf, die alte Schminke im Gesicht – vom Musikspektrum ganz zu schweigen? Neneh Cherry hätte es sich also einfach machen können. So einen Dance-Smasher wie »Buffalo Stance« vorlegen zum Beispiel. Oder ein Multikulti-Pop-Hit wie »7 Seconds«. Direkt vor die Füße der alten Fans, die sich nostalgisch an der Rückkehr die Hände warm reiben. Stattdessen sucht Neneh Cherry die unbequemen Pfade und macht das, was große, ernstzunehmende KünstlerInnen ausmacht: Sie geht auf Grenzerfahrung. 2012 nahm sie nach 16 Jahren Auszeit ein Album mit den schwedischen Free Jazzern The Thing auf, das umgehend von Größen wie Jim O’Rourke, Merzbow und Four Tet geremixt wurde. Für ihr neues – und nach nunmehr 18 Jahren erstes – Soloalbum »Blank Project« hat sie Kieran Hebden (aka Four Tet) gleich als Produzent hinter die Regler gekettet und die Brüder Page alias Rocketnumbernine als Mini-Kombo ins Studio gesperrt. Bereits der Opener »Across The Water« verweist darauf, dass sich die Rückkehrerin nicht anbiedern wird. Das Stück besteht aus nicht mehr als minimalistischer Percussion und Cherrys Stimme. Fast so, als wolle die Schwedin noch einmal ganz an den Anfang der Musikgeschichte zurückkehren – kompletter Reset, auch künstlerisch. Überhaupt gestaltet sich »Blank Project« sehr spartanisch. Drums, Klanghölzer, Kuhglocken, Schellen und Synthies. Die Basis der zehn Titel bilden die reduzierten Groove-Synthesizer-Paarungen von Rocketnumbernine. Über diese spricht, singt, lamentiert und sinniert Neneh Cherry über Hassliebe, medizinische Untersuchungen, Crackhuren und Sinneswahrnehmungen. Four Tet hält das ganze Treiben als Live-Session beisammen. Alles klingt direkt aufgenommen, irgendwie unfertig und kantig. Nicht selten setzen Rocketnumbernine leicht versetzt ein. Das gibt dem Album an Stellen zwar etwas dilettantisches, aber auch etwas ungehobeltes und somit intimes und direktes. Man merkt, dass es Neneh Cherry um mehr geht als nur ein schnödes Comeback. Es geht ihr um Seele. Und das muss man ihr hoch anrechnen.