Review

Brett Naucke

Seed

Spectrum Spools • 2014

Die Ursprünge von Brett Naucke liegen in der amerikanischen Kassettenszene, dort häufig unter dem Namen Face Worker, etwa auf seinem eigenen Plattenlabel Catholic Tapes Sein zweites Vinylalbum (erst letztes Jahr erschien sein erstes, »The Visitor« auf Nihilist) lässt allerdings von einer Neigung zu Lo-Fi oder auch zu anarchischer Bricolage nichts spüren. »Seed« entfaltet vor uns behutsam einen Weltentwurf, der zwar in kosmischen Utopien der 1970er Jahre gründet (wovon sakrale oder obertongesanghafte Synth-Chöre, synthetisches Plätschern, orientalische Skalen, Tabla-Klänge künden), der aber in einer kristallinen Schärfe aufgeht, durch die wir uns bewegen wie durch ein hyperreales Architekturmodell, satt begrünt und luftig, hochaufgelöst aber gespenstisch aufgeräumt, sonnendurchflutet und doch seltsam unhaptisch, ja sediert. Die geometrische Körperlichkeit analoger Arpeggiatoren und Drumboxen, auch jeglichen Pop-Anflug hat diese Welt hinter sich gelassen. Wenn Rhythmen vorbeispülen, dann wie hinter Glas: Aphex Twins »Ventolin« als Polsterbezug in »Luau« (auch das verträumte Klavier in »Lost Inside Your Houses« zupft an dieser Referenz aus einer schon vergangenen Zukunft; Nostalgie als Muzak). In »Harp Of The Evening Garden« wachsen Bass und Beats aus den Granülen und Pulsen, umranken einander ohne zusammenfinden zu müssen, so fließend ambient wie die eingestreuten Kurzwellentöne oder getupften Texturen von Glocken, Klöppeln, Knistern. Neben einigen Field Recordings aus Miami soll nur ein einziges Patch auf einem Modularsynthesizer in Brett Nauckes Studio in Chicago, Illinois zum Einsatz gekommen sein. Womöglich zusätzlicher Garant für die Kohärenz neben der Sorgfalt der Komposition im Studio, aber doch ein Rätsel angesichts der klanglichen Palette. Am Unheimlichsten aber ist die angenehm weiche Kühle, die das Album zu einem Durchhörer macht.

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Brett Naucke
Seed
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