Review

Kidkanevil

My Little Ghost

Project: Mooncircle • 2014

Als Englishman in New York ist es ja schon befremdlich genug. Was nur, wenn der Herr aus dem ländlichen Yorkshire plötzlich mitten in Tokyo strandet? Eben noch grüne Wiesen und Fish & Chips. Jetzt schon Hochhausriesen, Krach und Licht auf Anschlag und eine Kultur, die einem das Fremdsein erst so richtig vergegenwärtigt. Gerard Roberts alias Kidkanevil hat seinen Sommerurlaub in der japanischen Metropole genutzt, um zu lernen, sich als kleiner, nicht beachteter Geist durch eine beängstigende Großstadt zu bewegen. »My Little Ghost« vereint als Klangergebnis die britische Glitch-Welt mit der japanisch-kitschigen Klangwelt. Reduzierte und schüchtern verhaltene Beats ordnen sich einer Fülle an Klingklängen und glasklaren Spielzeug-Pianos unter und kreieren genau dieses Moment von Alleinsein und Weltentfremdung. »My Little Ghost« startet dementsprechend mit einem Gefühl des Jetlags. Der Kopf ist schwer und dreht sich gedämpft inmitten der Lichterflut, bevor mit »Earth To G San« Snoop Dogs »Drop It Like It’s Hot« eine Bogdan Raczinsky’sche Klingklang-Interpretation erfährt. Im Laufe der 13 Titel lichtet sich die Schwermut und Müdigkeit. Kidkanevil findet Leichtigkeit in all diesem Tumult, scheint die Isolierung und das Ungesehensein gar zu genießen. Kleine Breakbeats, jazziges Wippen, Downbeat und Glitch stehen im ständigen Wechsel und tauchen zufrieden in die leicht verkitschte und immer äußerst verspielte Mangawelt der Piano-Synths ein. Trotz aller möglicher Referenzen zu Raymond Scott, Rainstick Orchestra, Jean-Michel Jarre, Múm, Pretty Boy Crossover und deinem alten Gameboy erschafft Kidkanevil ein sehr persönliches, schlicht schönes Album, mit dem es sich wunderbar allein sein lässt.