Review

Maulawi

Orotunds

180 Proof • 2014

Ich möchte gar nicht wissen, was alles an grandioser Musik nie meine Ohren erreicht hat, nur weil die Musik zum Zeitpunkt der Entstehung zu weit draußen und somit für eine Veröffentlichung kommerziell uninteressant war. Maulawis »Orotunds« ist so ein Werk, dass zumindest die Alarmglocken schellen lässt. Entstanden irgendwann zu Beginn der 1970er Jahre hat es ganze vierzig Jahre gebraucht, um zur Veröffentlichung zu gelangen. Zu Maulawi gibt es im Allgemeinen nur wenig Information. Seine Geschichte im Jazz ist trotz seiner virtuosen Beherrschung des Sopransaxophons des , seiner spannenden Interpretation von Klassikern und seines starken Engagements in der Chicagoer Jazzszene der 1960er und 1970er Jahre erschreckend nebulös. Nur ein einziges, innovatives aber kommerziell erfolgloses Album auf Strata Records im Jahre 1974 blieb von dem Musiker, Bandleader und Lehrmeister nach seinem Tod 1984 übrig. Vielleicht kann man bei der Veröffentlichung der bisher in einem Archiv verstaubten Titel auf »Orotunds« schönrednerisch von einem langen Reifeprozess sprechen. Als Whisky läge uns jetzt also ein unheimlich runder, weicher Drink auf der Zunge und ließe die Geschmacksknospen in tausend Farben explodieren. Tatsächlich bedeutet »Orotunds«, wie Maulawi im Outro des Albums erläutert, »fullness, clearness, strengths and smoothness«. Und wahrlich präsentiert das Label 180 Proof auf dem auf eintausend Exemplare limitierten Vinyl-Album sechs verschollene Titel des Künstlers, wie sie unterschiedlicher und eindrücklicher nicht sein können. Vom verspielten, nächtlichen Jazz des Openers »Maiden Voyage«, über den Highspeed-Soul des Titelstückes und dem verträumt lamentierenden »Where Is The Place« bis zum pumpenden Funk des abschließenden »Unknown Track« zeigt Maulawi ständig neue Klangfarben. Getrieben von den komplexen und zugleich verspielten Kompositionen, dem sachten und immer wieder expressionistischen Saxophonspiel Maulawis und der schieren Experimentierfreude eines Michael Fuller an den Drums ist dieses posthume Album die vergnügte Vereinigung von Experiment und Pop im Jazz.

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Maulawi
Orotunds
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