Review

Lou Reed

Metal Machine Music [performed by Zeitkratzer]

Zeitkratzer Records • 2014

Man mag sich den nahezu flächendeckenden Kleingeist kaum ausmalen, mit dem Lou Reeds »Metal Machine Music« 1975 empfangen wurde, das ihn fast die Karriere gekostet haben soll. Über die Geschichten und Legenden, die sich um das konventionensprengende Doppelalbum ranken, ist es leicht, die Musik selbst aus den Augen zu verlieren. Darauf gibt seit über zehn Jahren das Ensemble Zeitkratzer um Reinhold Friedl seine ganz eigene Antwort, indem es sie in instrumentierter Fassung immer wieder auf die Bühne trägt. Nach einer multimedial aufgefächerten Veröffentlichung auf Asphodel (2007) legen sie hier nun erstmals eine vollständige Aufnahme vor, basierend auf zwei Konzerten in Italien im Jahr 2012. Ihre beeindruckende Umsetzung von Reeds gitarrenbasierter Tape-Music aus trillernden Feedbackschichten und zugespielten Melodien in Gestalt eines Nonetts aus Streichern, Bläsern, Gitarre, Piano und Schlagwerk ist weniger sklavische Reproduktion als vor allem leidenschaftliche Geste. Die Intensität der elektrifizierten Mühelosigkeit des Strömens, das dem Original seine fiebrige, aber auch leichte Energie verleiht, muss jener von harter Arbeit weichen, zugleich darf einen gewissen Verlust an Brachialität gewonnene Transparenz ersetzen. Was die akustische Transformation allerdings nicht nur durchreicht, sondern erst wirklich nach außen kehrt, zum Blühen bringt: Dass das geschäftige, vielstimmige Splittern und Klirren tatsächlich von einer losgelösten, leuchtenden Euphorie beseelt ist, von Schönheit und Befreiung als zwei Seiten derselben Medaille. Natürlich hat man während dieser Stunde Zeit, Fragen nachzugehen, die sich einstellen. Was bedeutet es, wenn Zeitkratzer, indem sie Reed als Komponist mit neuartiger Methode lesen und sein Verfahren als Musiker ausblenden, die Tradition einer Trennung zwischen Komponist und Interpret forcieren? Oder wenn etwa über flirrende Texturen gleitende Bläser ausgerechnet Synapsen feuern lassen, an denen zu gleicher Zeit an gleichem Ort entstandene Musik von Philip Glass hängt (»Building/Train« aus Einstein on the Beach)? Unmittelbar lohnend aber, wie so oft: einfach die Einladung annehmen und hinhören, wo weghören so selbstverständlich schien.

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