Review

The Eye Of Time

Acoustic

Denovali • 2014

Als würde die Zeit bluten, aber auch das nur wieder eine dummdreiste Metapher, die der Musik nicht komplett gerecht wird. The Eye Of Time ist das Projekt des französischen Musikers Marc Euvrie. Der Pressezettel wirft Chopin, Bach, Portishead und Godspeed You! Black Emperor in den Raum, aber wir bewegen uns hier auf einem Feld, wo Namen nichts bedeuten, nichts zu sagen haben. Denn Euvrie hat seine ganz eigene Sprache in seinem Sound. »Acoustic« ist sein zweites Album, deutlich reduzierter im Sound, das Klavier im Vordergrund. In »Treblinka, Poland, 2 August 1943« bohrt er die Töne in die Melodie, bevor er den Song ausklingen lässt mit ein paar einfachen Stücken einer Melodie. »Catalonia, Spain, 1936« hingegen zieht sich zusammen, atmet aus, der ganze Song lebt. Die Melodie schillert, alles dreht sich um einen einzigen Mittelpunkt, lässt sich von ihm anziehen und wieder abstoßen. Eine Reise durch die Zeit, das deuten die Titel ja schon an. Allerdings würde es der Musik nicht gerecht, hier einem Konzept nachzuspüren. Dafür geht dieses Album zu sehr unter die Haut, rührt in den Gefühlen. Winternächte, wenn die Flocken wie Kanonenschläge auf die Schneedecke krachen, Schwermut, die Augenlider schließt, Angst vor dem, was in der Dunkelheit liegt – alles hier drin, alles verpackt zwischen Ambient, Klassik, PostRock und was noch. Musik so pur und schön, dass jedes rhetorische Mittel versagt.