Review

Gazelle Twin

Unflesh

Anti-Ghost Moon Ray • 2014

Während Karin Dreijer Anderssons Fever Ray weiter für sich spricht, geht Elizabeth Bernholz auf ihrem zweiten Album »Unflesh« als Gazelle Twin den Schritt in die Evolution im Sound. Die Verbindung von Andersson zur Britin drängt sich so auf, dass es unmöglich ist, sie außen vor zu lassen. Denn schließlich hatte Bernholz auf einem Konzert von Fever Ray eine Art musikalische Erleuchtung, woraus dann Gazelle Twin hervorging. Doch mit »Unflesh« verabschiedet sich Bernholz tatsächlich ein Stück vom eigenen Sound und letztendlich von Fever Ray. Denn »Unflesh« fällt deutlich kantiger in seiner Elektronik aus. »Exorcise« lässt sich von einem Rhythmus die eigenen Geister aus dem Leib prügeln, während Bernholz ihre Stimme verfremdet, zerfleddert, zerschießt. Alles löst sich in diesem Sound aus Avantgarde, Industrial und Elektronik zwangsläufig aus, alles verflüchtigt sich nach wenigen Sekunden wieder. In »Belly Of The Beast« tickt jede Spur mehr und mehr aus, allerdings ohne Urknall. Denn Bernholz fehlt manchmal auf diesem Album die letzte Konsequenz. Auf »Unflesh« kämpft eine Künstlerin damit, wie nah sie den Hörer an sich heranlassen kann, ohne sich in einer Kunstfigur aufzulösen. Dissonanz und Ablehnung gehört mit rein. Wenn in »Human Touch« dann aber Beat und Melodie wieder aufeinanderliegen, fehlt diesem Album die Substanz unterm Strich. Bernholz schöpft nicht aus den Albträumen, sondern aus der menschlichen Existenz im 21. Jahrhundert – und das hat die Amerikanerin EMA auf ihrer letzten Platte besser hinbekommen. Aus Künstlichkeit entsteht eben nicht sofort Kunst. Die Geister von Gazelle Twin liegen hier im Digitalen und nur dort beschwört sie Unheimliches, obwohl sie tiefer möchte, direkt unter die Haut, direkt in die Seele. Nur ist nicht klar, ob in die eigene oder in die des Hörers. In dieser Hinsicht zeigt »Unflesh«, dass Bernholz sich lösen kann, dass das hier vielleicht nur ein Experiment ist, eine Idee, Skizze für den nächsten Schritt im eigenen Sound. Und dann sind vielleicht auch die Vergleiche endgültig hinfällig.