Review

Stewart Walker

Ivory Tower Broadcast

Mundo Recordings • 2014

Bei Stewart Walker, aufgewachsen in North Carolina, seit über zehn Jahren in Berlin zu Hause und in der vergangenen Dekade eine feste Größe der Techno-Landschaft dieser Stadt, lag das Selbstverständnis als Musiker immer schon etwas anders. Im Zentrum stand für ihn das Live-Set, international wie auch als Tresor-Resident; Alben wie sein vielbeachtetes Debut »Stabiles« auf Force Inc. oder sein eigenes Label Persona diktierten nicht den Rhythmus. Eine Auszeit wie die, nach der er heuer zurückkehrt (auf dem kleinen Label aus Lausanne kam vor ein paar Monaten bereits eine EP), verspricht allerdings Besonderes. Wie sich zeigt, stand in diesen fünf Jahre nicht nur Familiengründung, sondern auch Revision der eigenen musikalischen Wurzeln auf dem Plan. Walker hat sich nicht nur wieder eine Gitarre gekauft, sondern auch Akkordzither, Bass und Taishogoto, die zum einen als Interfaces und Klanggeber eingesetzt werden, um in ausgefuchsten Signalwegen sich zu atmenden Texturen zu wandeln, die aber auch ganz sie selbst sein dürfen, als Indie und Folk aus dem appalachischen Elternhaus, mit Chorus und Volumepedal. Dabei entpuppt er sich im Verlauf des Albums nicht nur als Arrangeur, der seine Paletten beherrscht – das war bekannt – sondern als sicherer und effektiver Melodiker, der mit drei Tönen ein Breitwand-Panorama in den Raum zaubern kann. Auf dem Floor hat das natürlich nichts verloren, und will da eigentlich auch gar nicht hin – trotz der handwarmen Grooves, die abwechslungsreich durchs Album führen, ohne sich noch Genres (ob Hiphop oder gar Köln-Schaffel) verpflichtet zu fühlen, sondern die einfach am Küchentisch sitzen und erzählen. Post-Everything, mit Betonung auf Post, mal schwermütig, mal friedlich, mal mit einer fast spukigen Sanftheit, die man Heimweh nennen möchte. Nicht nur »Something I Can’t Remember« oder »Rose Machine« werfen jedenfalls schon lange Schatten in den Winter.