Review

Thomas Köner

Tiento De Las Nieves

Denovali • 2014

»Tiento De Las Nieves« fordert Aufmerksamkeit und Geduld ein. Nicht auf laute, reißerische Art, nein. Sondern auf stille, diskrete. Diskretion ist schon immer Thomas Köners Markenzeichen gewesen, ob nun als Hälfte des Dub Techno-Duos Porter Ricks oder mit seinen zahlreichen Klanginstallationen, Soundtracks und Soloalben. »Unerforschtes Gebiet« hieß eines davon und brachte per Titel auf den Punkt, worum es in der Musik des Bochumers oftmals geht: Räume aufzumachen und sie zu erschließen, ihre Klänge zu versammeln und eine auditive Landkarte zu zeichnen. Köners Alben bewegen sich langsam und bassmächtig vorwärts, hin und wieder klingen seine manipulierten Feldaufnahmen wie das hundertfach verlangsamte Abkalben von Gletschern. Sie sind erfüllt von intrinsischer Spannung, schaffen mit wenigen Mitteln eine nervenaufreibende Suspense. Das würde Köner nicht so eindrucksvoll gelingen, wenn er nicht Raum und Zeit so ernst nehmen würde. Schon Porter Ricks schärften mit ihren repetitiven, sich lang hinziehenden Tracks die Aufmerksamkeit für minimale Differenzen und schufen ein unvergleichliches Tiefengefühl. »Tiento De Las Nieves« scheint eher daran anzuknüpfen als an Köners letzte Alben wie etwa »Novaya Zemlya« oder »Permafrost«, obwohl es dem Titel nach ebenfalls in kalte Regionen geht. Im Zentrum des 68minütigen Stücks steht jedoch diesmal keine Landschaft. Stattdessen aber ein Klavier und die Frage nach der zeitlichen Anordnung von Tönen: Muss Musik geschichtet werden? Oder kann sie auch, Ton für Ton, vor sich hintreiben wie eine Schneeflocke durch eine klare Winternacht? Es braucht schon etwas Geduld und viel Aufmerksamkeit, um zu bestimmen, ob die von Drones unterfütterten Piano-Tupfer sich nun ständig wiederholen oder doch behutsam mäandernd neue Konstellationen bilden. »Tiento De Las Nievas« aber ist so still und diskret, dass es diese Frage elegant aufschiebt. Was bleibt, ist die Erfahrung von Raum und Zeit. Verkürzt gesagt handelt es sich also um ein Ambientalbum im allerbesten Sinne. Aber eigentlich um noch viel mehr.