Review

Sven Kacirek

The Nutcracker Sessions

Naive • 2014

Klassik-Updates in Kombination mit elektronischen Mitteln sind seit einiger Zeit eine beliebte Form der Weiterverwertung des Repertoires vergangener Jahrhunderte. Was grundsätzlich ein lobenswerter Versuch ist, die Musik von Kollegen weiterzudenken – früher nannte man so etwas zum Beispiel »Variationen«. Der Hamburger Schlagzeuger Sven Kacirek hat sich für sein jüngstes Album die Ballettmusik »Der Nussknacker« von Pjotr Tschaikowski als Ausgangsmaterial genommen. Erfreulicherweise springt er ziemlich frei mit der Vorlage um, nimmt bloß einige wenige Nummern des Balletts, aus denen er bestimmte Motive und Melodien isoliert, um dann den Aufbau der einzelnen Stücke fast völlig zu verändern. Von der Instrumentierung ganz zu schweigen. Vorwiegend an Marimba, Xylophon, Vibraphon und anderen Perkussionsinstrumenten eingespielt, sind diese »Sessions« eine kammermusikalische Version des Werks geworden, in der man genauso viel vom Minimalismus Steve Reichs wie von der Handschrift Tschaikowskis finden kann. Den »Tanz der Zuckerfee« etwa baut Sven Kacirek konsequent verlangsamt auf, steigert seine Pattern-Wiederholungen mit immer druckvollerem Schlagzeug – was dann eher an Techno-Verfahren als an minimalistische Prozesse erinnert –, und die als Klingelton beliebte Melodie taucht schließlich fast unvermittelt aus dem Getöse auf. Die Neulektüre gelingt ihm zum Teil sehr beeindruckend, allerdings um den Preis, dass viele Stimmungen eingeebnet werden und die Grenze zur unaufdringlichen Hintergrundbeschallung manchmal nicht weit ist – denn so ganz rigoros ist Sven Kacirek mit der Musik eben nicht verfahren. Besonders die eingestreuten Streichertöne weichen seinen Ansatz unnötig auf – auf die hätte er besser verzichtet.