Review

Mamiffer

The World Unseen

Sige • 2016

Es klingt zuerst wie ein defätistisches Eingeständnis, dass Faith Coloccia das neue Album ihres Projekts Mamiffer als »imperfekt« beschreibt. Im Kern aber macht genau diese Imperfektion, die Unabgeschlossenheit von »The World Unseen« das eigentlich Konzept der Platte wie auch seine Stärke aus. Als eine enigmatische Sprache verstünden Coloccia und ihr Ehemann Aaron Turner Musik und leihen sich als Motto für die acht Tracks ein Zitat der Philosophin Hélène Cixous über eine Sprache, die weder Zeit noch Ort kennt. Das ist viel theoretischer Überbau für ein Album, das bisweilen ungemein schöne und zugängliche Passagen zulässt. Coloccia und Turner kommen aus den experimentelleren Bereichen der Metal-Szene, die sich auf ihrem Label Sige wie auch auf ihren Alben die Klinke in die Hand gibt. Mit der US-amerikanischen Bleak Metal-Band Locrian haben sie neben einer Reihe von anderen ebenso kollaboriert wie mit dem finnischen Kollektiv Circle, für »The World Unseen« übernahm unter anderem der Sunn O)))-Kollaborateur Eyvind Kang das Streicher-Arrangement. Metal ist in der ungesehenen Welt jedoch höchstens als entferntes Echo zu hören, vielmehr scheinen Coloccia und Turner ihre eigene Art von esoterischem Piano- und Drone-Folk entwickelt zu haben, der auf keine bestimmte musikalische und damit historische oder regionale Tradition zu verweisen scheint. Die bisweilen an die artifizielle Dramatik Julia Holters erinnernden Passagen, in denen Coloccia mit dem Klavier duettiert, weichen immer wieder knusprig-kosmischen Soundscapes, die mal mit Turners Gitarre und mal aus weitaus ominöseren Quellen gespeist werden. »The World Unseen« gleitet zwischen diesen Extremen hin und her wie zwischen Wachen und Schlafen. Das macht es als Album tatsächlich imperfekt, lässt es zum Teil wahllos wirken. Zugleich aber bringt es damit jedoch treffend die Absicht von Mamiffer zum Ausdruck, ohne sich anzubiedern oder in völlige Esoterik abzudriften.