Review

Dear Reader

Day Fever

City Slang • 2017

Für »Dear Reader« wollte Cherilyn MacNeil, die sympathische Wahlberlinerin aus Südafrika, neue Wege beschreiten. Dafür begab sie sich nach San Francisco und in die Hände von John Vanderslice. Die Instrumentierung ist auf »Day Fever« zwar reduzierter, die Kaskaden aus MacNeils zu Chorälen aufgeschichteten Gesang können allerdings weiter als ihr Markenzeichen gelten. Diese Stimme zusammen mit Tasten- oder Gitarrenbegleitung ist für die erhabene, große Geste meist ausreichend, dazu gesellen sich nur wenige andere Melodietupfen und die auf bereits bekannte Art herausgezögerten Beat-Einsätze, die auf »Day Fever« allerdings mehr elektronische Texturen enthalten als noch die Drums der Vorgängeralben. Diese spitzen, bizarren und kalten Klänge erweitern den Dear-Reader-Sound um einige Irritationen und düstere Atmosphären, was wiederum gut zu den Texten über Angst, Wut und Unsicherheit passt. Am meisten Einfluss auf den neuen Sound und das neue Feeling hatte aber sicherlich die für MacNeil ungewohnte Aufnahmetechnik via Bandmaschine. So werden Produktionsmöglichkeiten limitiert, da nicht jede Kleinigkeit im Nachhinein digital optimiert und rundgelutscht werden kann. Gerade dieser Verzicht auf Perfektion macht »Day Fever« als Gesamtwerk letztlich so lebendig und unmittelbar.