Review

Elektro-Dschungel

Kebab Und Andere Träume

Edition Dschungel • 2017

Wiesbaden, die Vermittler-Stadt zwischen Okzident und Orient. Klingt funny, war aber mal so. Vor 30 Jahren. Damals gründete sich an der Wiesbadener Jugendwerkstatt die Band Elektro-Dschungel. Als »Sozialexperiment«. Deutsche, Migranten und Kinder von Gastarbeitern trafen sich und nahmen Songs (u.a mit dabei Coverversionen von Ali Derdiyokla und DAF) auf. Es entstand das Album mit dem zeitlos-fantastischen Namen »Kebab Und Andere Träume«. Beteiligt waren Menschen aus der Türkei, Marokko, Deutschland, Spanien, Iran und Ungarn. Musiker und Sozialarbeiter Winfried Nacke produzierte das Ganze. War damals vorbildlich, klingt noch heute geil. Nichts Provenzalisches haftet dem Album an, wofür man die Ergebnisse von Jugendraum-Projekte ja durchaus berechtigterweise verdächtigen kann. Das hier ist groß. Die Musik ist so bunt, wie man sich das nur wünschen kann. Ob ange-Falco-ter French Wave, Christiane F.-Anatol-Funk, straighter Marokko-Pop, HipHop, Disco, ein pluralistischer Traum, meine Güte. Dazu hört man »Kebab« an, dass die beteiligten Musiker bis dato keinen Fuß in ein Tonstudio gesetzt hatten. Wo die Treter zuvor noch nicht waren, verhalten sie sich im besten Falle besonders leichtfüßig. Und so kommt das hier rüber (obwohl es den Jugendlichen mal gar nicht so vorkam, die standen ihren Songs anfangs seeehr skeptisch gegenüber). Dem Album wohnt eine erfrischende, fast schon trotzige Naivität inne, die ihm letztendlich seinen ganzen Charme verleiht. Fun Fact: wer weder ein Instrument spielen noch singen konnte, bekam z.B. eine Rolle als Vogel-Imitator. Vom Kontext über die Musik bis zum Cover: alles hieran ist top.