Saul Williams – Das Mischen von Ideen

25.07.2011
Foto:Benjamin Menedetter Valentin Menedetter
Saul Williams ist der intellektuelle Widerpart, der poetische Visionär, der eifrige Globetrotter des Hip Hop. Wir trafen Saul Williams zum Gespräch über Gefühle und Musik und wie das eigentlich zusammengeht.

Zorn, Angst und Gefühle. Saul Williams bewältigt das auf seine eigene Weise – mit Musik. Verwurzelt im Hip Hop und inspiriert durch die Musik und die Menschen auf der Welt, reist Williams durch sein eigenes Universum. Sein Studium der Philosophie gibt ihm ein tieferes Verständnis der Zusammenhänge. Seine Kreativität beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Musik, er feierte bereits Erfolge im Film mit einem Preis beim Sundance Filmfestival und auch in Cannes Film. Aufgewachsen in New York wurde er ein Teil der dortigen Poetry Szene und erlangte dadurch Aufmerksamkeit. Weitere Kollaborationen folgten und so kann Williams auch auf einem Album der Nine Inch Nails gefunden werden. Sein Sound ist stark, vereinnahmt einen sofort und vermittelt die Energie des Musikers von der ersten Sekunde an. Wir hatten das Vergnügen mit ihm zu sprechen.

Dein Fundament ist der Hip Hop, aber es finden sich auch andere Elemente in deiner Musik. Woher ziehst du deine Inspiration?
Saul Williams: Das Leben und meine Erfahrungen. Ich komme aus New York, ich bin in den Achtzigern aufgewachsen und Mitte der Achtziger war ich ein Austauschstudent und bin nach Brasilien gezogen. Danach habe ich nicht aufgehört zu reisen. Ich bin durch ganz Amerika gereist, wahrscheinlich 47 der 50 Bundesstaaten. Ich war wahrscheinlich in 30 verschiedenen Ländern. Ich kaufe Musik, überall wo ich hingehe, treffe die lokale Bevölkerung, hänge mit ihnen ab und nehme Dinge von verschiedenen Leuten auf. Ich bin gerade zurückgekehrt von zwei Monaten im Senegal; dort habe ich an einen Film gearbeitet. Natürlich bin ich mit Musik, vielen Instrumenten und allen möglichen anderen Dingen zurückgekehrt. Meine Alben können nur eine ehrliche Darstellung davon sein, wer ich bin. Viele Leute glauben, dass ich zornig bin. Ich fühlte mich nicht wohl, die zornige Seite zu zeigen. Jetzt sieht man weniger Zorn und mehr von mir. Freunde dachten nie, dass ich zornig bin.

Lässt du deine Gefühle in der Musik raus?
Saul Williams: Ich glaube ich habe viel Zorn und Angst durch meine Musik rausgelassen. Ich habe verschiedene Wege um mich auszudrücken. Ich habe viele Gedichte, und viele davon sind nicht zornig, Liebesgedichte. Manche hinterfragen die Musik, vielleicht wegen des großen Anteils an institutionalisierter Infrastruktur und Geldwirtschaft. Zu Beginn habe ich ganz bestimmte Emotionen durch die Musik ventiliert. Das hat sich ein wenig geädert.

Was nervt dich heutzutage?
Saul Williams: Ich bin nicht wirklich genervt. Jeder ist durch schlechte Musik genervt, aber glücklicherweise höre ich nicht viel schlechte Musik. Es gibt viel neues Zeug, das mir gefällt. Ich bin offen, viel mehr als ich es vor 20 Jahren war.

»Das ist der Hip Hop in mir, das ich immer noch in meinem Kopf sample. Neue Ideen zu schaffen durch die Verwendung von verschiedene Medien. Ich bin durch vieles inspiriert, das ich gehört habe und mache daraus etwas, das ich noch nicht gehört habe.«

Saul Williams
Hat dir die Musik geholfen, dich zu öffnen?
Saul Williams: Auf jeden Fall. Ich denke Musik ist wie eine heilende Medizin; sie hat mich unglaublich geöffnet. Musik hat eine große Rolle in Bezug auf meine Entwicklung als Mensch, mein Bewusstsein gespielt. Musik ist eine Droge und ein Entspannungsmechanismus. Eine Balance – sie ist wahnsinnig stark. Eine Wertschätzung für verschiedene Instrumente zu entwickeln. Für die Nähe des Cellos zur menschlichen Stimme oder die perkussiven Elemente eines Pianos. Klassische Musik zu hören, diese ganze Musik zu hören, half mir viele Dinge zu finden. Dann ganz bewusst indigene und schamanistische Musik. Ich mag die Idee der Trance und des Polyrhythmus. Eine Zeit lang bin ich zurück gegangen und bin bei Fela geblieben, dann ging ich zu pre-Fela. Ich versuche Musik bewusst zu hören, möchte etwas über vokale Lagen, Harmonisierungen und Polyrhythmen herauszufinden. Ich mag die Beats in den Beats.

Nachdem du so viel Musik hörst, wie fühlst du, das es Zeit ist, selbst Musik zu machen?
Saul Williams: Nur wenn es notwendig ist. Jeder Song, den ich geschrieben habe, kam aus einem direkten Bedürfnis an Musik zu arbeiten. Entweder, um eine Angst zu beruhigen oder sich auf Gedanken zu konzentrieren, nur um mich durch einen Nachmittag zu bringen oder als Inspiration, die durch andere Musik kam. In manchen Songs habe ich das Gefühl, dass nur eine Sekunde des Songs ein komplett neuer Track sein kann. Das ist der Hip Hop in mir, das ich immer noch in meinem Kopf sample. Neue Ideen zu schaffen durch das Mischen von Medien. Ich bin immer noch durch vieles inspiriert, das ich gehört habe und mache daraus etwas, das ich noch nicht gehört habe.

Glaubst du, das New York in den Achtzigern hat dich beeinflusst?
Saul Williams: Ja und nein, weil so offen New York damals auch war – ich war ein Teenager. Ich war ziemlich verschlossen. Ich wollte hineinpassen, ich wollte cool sein. Ich wollte, dass die Leute wissen, dass ich den coolen Shit höre.

Hat das deiner Liebe zum Hip Hop geholfen?
Saul Williams: Ja, es war einfach das Ding. Es gab eine Zeit, da besaß ich jedes HipHop-Album, das jemals gemacht wurde, denn es gab nur 12. Ich hatte sie alle – auf Kassette! (lacht)

Wenden wir uns noch mal dem Musikmaschen zu. Du sagtest, du verwendest Musik, um dich durch manche Gefühle zu bringen. Wenn ein Song noch nicht fertig ist und du kehrst dazu zurück, wie ist das für dich?
Saul Williams: Es ist ein Geschenk. Nehmen wir Volcanic Sunlight . Ich habe alle Songs geschrieben als ich mich durch Liebe inspiriert fühlte. Nicht nur Liebe zu einer Person, Liebe zum Leben. Als ich mit den Demos der Songs fertig war, musste ich durch die größte, verrückteste Trennung – und dann war es an der Zeit an den Songs zu arbeiten. Als ich mich daran setzte, waren all die schönen Gefühle, von denen ich dachte, das ich sie nicht mehr empfinden kann, in der Musik und warteten auf mich. Die Musik hat mich gerettet. Es ist immer so.