Zwölf Zehner – Jahresrückblick 2011 (Teil 2)

27.12.2011
Unser Kolumnen-Duo Aigner und Okraj schließt das Jahr mit einer Auswahl seiner 50 liebsten Tracks ab, wie üblich streitbar aber scheuklappenfrei, hart und herzlich, House und R&B, Hip Hop und Post-Everything.

Egal wie viele Hits er für die R&B-Elite weiterhin locker aus dem Ärmel schüttet (So geht unter anderm Rihannas Umbrella auf sein Konto), Kollege Aigner und ich, wir wollen den puren The-Dream / Terius Nash. Produktionstechnisch hat er Timberland schon längst in die Tasche gesteckt und lyrisch, so darf ich den Kollegen Aigner zitieren, vermag er ohnehin »mit den simpelsten lyrischen Mitteln mehr Emotionen zu transportieren als Conor Oberst und Daniel Johnston zusammen«. Eine handvoll Songs hätten wir hier in die Liste packen können und einigten uns am Ende doch auf Ghetto, weil es in gewisser Hinsicht Einblick gewährt in das Erfolgsgeheimnis unseres fanboyhaft-verehrten R&B-Avantgardisten. Das da wäre: Eine dezente Portion Selbstbewusstsein. Eine kleine Kostprobe: »I created this sound, yes sir I shut it down. There’s only one number 1, these other niggas are my sons. And you can never be be like me, you can never do it do it like me.« Keine Fragen offen, wir fressen dir auch weiterhin aus den Händen. ###EMBED:31666537:sc###

Ungeachtet dessen, dass sich Big Strick im Interview und nachfolgendem E-Mail- und Facebook-Verkehr als unheimlich angenehmer und dankbarer Zeitgenosse präsentierte, nein, dieser Mann ist zudem auch für das beste House-Album des Jahres verantwortlich. Yllabian Dog Fight nennt sich einer dieser darauf versammelten atmosphärischen, analogen Stampfern, unheimlich dicht im Sound, stets pendelnd an den Schnittstellen von Deep House und funktionalem Techno. Kaum in Worte zu fassen, so dass man gewillt ist, diese Erklärung mit einer stumpfen aber wahren Plattitüde zu beenden: This is what you get from Detroit. Detroit only. ###EMBED:31666536:sc###

Wie beginnt man eine Einordnung zu Tyler’s Yonkers, ohne auf die omnipräsente These Nasir Jones’ zu verweisen, Hip-Hop sei tot? Zugegeben: Am besten gar nicht. Nichtdestotrotz braucht das Genre alle Jahre wieder eine Auffrischung, die 2011 in Gestalt eines zwanzigjährigen Skatergoblins aus Los Angeles daherkam, der über furztrockene Beats seine klaustrophobischen Reime zum Besten gibt und zur Generalabrechnung mit Blogs, Medien und Sonstigem ausholt (»I’m stabbin’ any bloggin’ faggot hipster with a Pitchfork«). Ein unerklärliches Phänomen diese Wolf Gang, die ihr radikales System mit aller Wucht gegen alle anderen vorantreibt und am Ende doch Persönliches offenbart. So mündet auch auf Yonkers die Kompromisslosigkeit Tyler’s Lyrics in der shizophrenisch bekämpften Sehnsucht, seinen Vater kennenzulernen. Wir sahen es kommen und wunderten uns doch, dass gegen Ende des Jahres diese Dialektik dann noch nicht in einer Volkswagen-Werbung zu Ende gedacht worden ist. Wolf Gang – Golf Wang! ###EMBED:31666535:sc###

Ach, ist das schön. Aaron Coyes und Indra Dunis kommen aus Wisconsin, mögen Dub und Spaghetti Western, schreiben wunderbar verpeilte Popnummern und sind in all dem noch erfrischend unprätentiös. All The Sun That Shines lässt den Sequencer annähernd ohne Aussetzer durchrattern, die Bässe haben sich TÜV bei Lee Perry geholt, das Hauptarrrangement klingt nach Air zu besten Zeiten und die mantra-artigen Vocals machen es sich direkt im Langzeitgedächntis bequem. Gänsehaut in der Sonne. ###EMBED:31666534:sc###

Es vergeht kaum ein Tag, an dem das besagte Kolumnisten-Tag-Team Aigner/Okraj sich gegenseitig Tracks via Facebook empfiehlt und diese mit kurzen Schlagworten Marke »GOAT!«, »ADONISGOAT«, »GAMECHANGER« oder »EPIC« anreichert. So (auch) geschehen an einem Montag im Februar, da macht gerade ein neuer Resident-Advisor-Podcast die Runde, der von Mädchenschwarm Caribou bestritten wird und nach wenigen Minuten direkt zu eben beschriebenen Verhalten veranlasst. Ein Track nämlich besticht dabei mit Drums so cross wie Wasa, die Synth hingegen mächtig, ehe sich aus dem Nichts unerwartet das liebreizende Soul-Sample gesellt. Theo Parrish? Könnte man meinen. Stammt aber aus Dan Snaith’s eigener Feder, der unter seinem Daphni-Moniker seit kurzem auch eigene Edits produziert. Mit Yes, I Know verzichtet er auf den üblichen etwas überladenen Afro Beat, dreht die Shaker zum Anschlag und drückt das unwiderstehliche Sample in der Vordergrund. »Massive«, wie man in England so schön zu sagen pflegt. ###EMBED:31666533:sc###

So weit ist es also schon gekommen im Thank You, Based Swag-Zeitalter. Harlem klaut Komparsen aus Rebecca Black Videos, bedient sich bei Cam’rons ehemaliger Lieblingsfarbe, zitiert mehr oder minder offensichtlich Swishahouse-Superhits und hat auch nichts gegen solch herrlich dämliche Künstlernamen wie ASAP Rocky. Purzle Swag verbindet dabei so gekonnt wie wenige Tracks zuvor den Houston’schen Gangsta-Lean mit Lil B’scher Weirdness und darf sich genau deswegen auch nach wie vor einer der abgenudelsten Vokabeln der letzten Jahre bedienen ohne dabei purpur anzulaufen. Swag! ###EMBED:31666532:sc###

Die eingespielte Kritik an Hovas und Yeezys Mammutprojekt Watch The Throne wird auf Lift Off ad absurdum geführt. Opulente, verschwenderrische Produktion, deren aufgeblähter Bombast gleich sechs verschiedene Produzenten auf der Gehaltsliste stehen hat? Aber sicher! Uninspirierte, banale Reimkunst, bei der sich beide Protagonisten gegenseitig nur wenige Bars gönnen, begleitet von einer übertriebenen Hookline Beyoncés? Go for it! Zuletzt: Autotune? Hatte Jay-Z nicht dessen Tod propagiert? Doch was interessiert diese Big Player das Geschwätz von gestern? Sollen die anderen doch in irdischen Dimensionen denken, wir nicht. Warum auch? Wenn sich zwei Künstler zusammentun, die die Forbes-Hip-Hop-Liste auf #1 und #3 gleich unter sich aufteilen, darf Genussfreude – Haters gonna hate und hehaupten Prasserei – betrieben werden. Nach uns die Sintflut, sie sind nicht mehr von dieser Welt: »We gon’ take it to the moon, take it to the stars – How many people you know can take it this far? – I’m supercharged – I’m ’bout to take this whole thing to Mars.« Und die Hater? Die twittern dennoch weiter. ###EMBED:31666531:sc###

Paul Woolford? Ich gebe zu auf dem Papier war Stolen eine der unbemerkenswertesten Hotflush-Platten seit langem, was eventuell auch damit zu tun haben könnte, dass ich den Zusatz And Psycatron – warum auch immer – völlig überlesen hatte. Nicht, dass jenes Duo in letzter Zeit die zwingendsten Platten gemacht hätte, man hätte dann aber bereits auf dem Schirm haben können, dass Stolen eine Menge Druck haben würde. Wenn ich dann Woolfords wohldokumentierte Big Room-Affinität nicht als No-Go abgetan, sondern als entscheidenden Twist wahrgenommen hätte, hätte ich dieses ganz und gar garstige, dabei aber sehr soulful bleibende Acid Techno-Epos antizipieren können? Vermutlich nicht. Denn die Art und Weise, wie sich Stolen immer weiter hochschraubt, stets geleitet von der altehrwürdigen 909 um schließlich nach sechs Minuten im von der Dramaturgie absolut zwingenden, aber dennoch überraschenden 303-Inferno zu kulminieren, hat so viel Verve, so viel Eier, ja so viel Swag, wie derzeit kaum eine andere Veröffentlichung mit vergleichbarer Zielgruppe. ###EMBED:31666530:sc###

Was Itals Culture Clubs so speziell macht, sind nicht die Zutaten. Vintage Drum Machines und Rimshot-Salven, eine verpeilt schlingernde Synth-Melodie aus Larry Heards Juno-Baukasten, darüber noch Schwülstiges aus dem Cosmic- und Italo-Kontext – das machen gerade viele. Wie es Ital aber schafft , all dies so nonchalant für neun Minuten zu mäandern lassen, uns immer in der Ungewissheit lassend, ob sich eine der torkelnden Melodien nicht gleich frontal auf die Fresse legt, ist atemberaubend und irgendwo auch die konsequenteste Fortsetzung dessen, was Virgo 4 vor 25 Jahren schon gemacht haben. ###EMBED:31666529:sc###

Auf I’ll take care of You versetzt Hipsterikone Jamie XX den leidenden Blues des in diesem Jahr traurigerweise von uns geschiedenen Gil Scott-Heron ins New York der frühen 90er Jahre. Anmutig tanzt der schüchterne Klavierakkord auf dem fragilen Beat und verleiht der Kernthese des Heron’schen Sermons durch das vorsichtige Hinzufühen weiterer Elemente peu à peu immer mehr Nachdruck. Nebenher sorgt Jamie XX für den vielleicht einflussreichsten Song des Jahres, der sich auf einer zaghaften Adaption schließlich auch auf dem Album Drakes wiederfindet und mit einer kongenialen Coverversion von Florence & The Machine (unterstützt vom BBC-Orchester) zum Jahresende noch einmal die Runde macht. Mirakulös! ###EMBED:31666528:sc###

Puristen mögen sie als typischen Tumblr-Gimmick abtun, mit schuldigem Blick ihre Erektion verschweigen und stattdessen doch lieber Age Ain’t Nothin’ But A Number aus dem Regalfach Guilty Pleasures ziehen. Nicht so Aigner und Okraj, wir würden Aaliyah ein Denkmal bauen und sind umso glücklicher darüber, dass mit Phlo Finister endlich deren 2.0 Version gefunden ist – inklusive Hilfiger-Gear, sieben Zentimeter an freigelegter Bauchdecke und den unvermeidlichen Shades. Die lässt unsere neue Heldin auch beim G.V. an, weil sie cool damit ist und ungefähr so viel Swag hat wie A$Ap Rocky, Lil B, Riff Raff und Soulja Boy zusammen. We need a resolution und zwar eine, die diesem Juwel schnellstmöglich den Plattenvertrag bringt, den es verdient hat. Ach ja, und dann wäre da ja noch diese Shook Ones-Geschichte. ###EMBED:31666527:sc###

Oldschoolige 808s gekoppelt an diese seltsam schwerelosen, sehr britischen Synthflächen, Sizzurp erprobte Yayo-Huldigugen, die durch ihre DJ Screw-ifizierung und mächtigem Pitchshifting in der Bridge in einen hedonistischen Hilfeschrei mutieren (»I’m so addicted. Cocaine Powder. I’m the Information. Too much.«) und Bass for days: Viel mehr brauchte es nicht um aus Sicko Cell den meist diskutierten Track von der Insel seit Footcrab zu machen. Joy Orbison soll diesen Hysterieentfacher produziert haben und wenn dem wirklich so ist, kann und muss man an dieser Stelle Altbekanntes zu Protokoll geben: Unverschämt on fire, dieser Rotzlöffel mit dem 90210-Haarschnitt. ###EMBED:31666526:sc###

Machen wir uns nichts vor: spätestens in einem halben Jahr wird Lana Del Rey von genau jenen Facebook-Freunden kolonisiert sein, die man schon seit Jahren löschen wollte, sich aber nie traute, weil man damals im Bio-Grundkurs zwei ganze Nummern bei ihnen abgeschrieben hat. Nun ist das aber zum einen nicht die Schuld des schlauchbootlippigen Hipster-Pinups selbst und zum anderen ändert das nichts an der Tatsache, dass Video Games ein Song epischen Ausmaßes ist, an dem sich Miss Rey ihre ganze Karriere wird messen lassen müssen, ohne ihn je zu übertreffen. ###EMBED:31666525:sc###

Hinter mokkabraun getönten Fenstern sitzt der Boss im fetten Beamer, cruist durch die Streets und vercheckt gestrecktes Pep an Ghetto Dealer. Und da der Kofferraum gleich sechshundertsiebzig Hektoliter umfasst, bleibt Platz für jede Menge Hoes, Fitnessgeräte und Coka-Packets, die der multitaskfähige Pimp natürlich gleichzeitig bedienen kann. Was soll er denn auch machen, er ist nun mal der Beste und revolutioniert und definiert Battlerap mal wieder neu und hievt es auf eine neue Stufe. Nicht mehr, nicht weniger. Fertig aus, Micky Mouse, Nikolaus. Mit angespannten Sixpack ziert er die Men†˜s Health Titelseite, Kritik beantwortet er mit intensiven Pimpslaps (oder ballert gleich täglich rum wie Alkoholiker) und zwinkert nebenbei deiner Mutter zu, lädt sie in den Hummer zu Doktorspielen ein wie ein gewisser Guttenberg. Er kann nicht anders, schließlich war ihr Minirock knapper als Trinkwasser in Kinshasa.
An alle Realkeeper, die sich am bombastischen Beat stören und dem deutsch-kanadischen Cobrakopf fehlenden Flow konstatieren: Beim Battlerap geht es keinesfalls nur um Flows, sondern vielmehr um die drückendsten Punchlines. Diese reiht Kollegah auf Bossaura auf insgesamt 112 Bars Reihe an Reihe, überragt mit intelligenten Wortspielen/-bildern zuhauf und bedient zugleich einen stringenten Storytelling-Aufbau. Unterhaltung auf allerhöchstem Niveau, mit minimalem Aufwand, wie Disney-Zeichner. ###EMBED:31666524:sc###

Achtung, es folgt eine verklärte Anekdote. Mitte Juli besuchte euer Kolumnisten-Duo Aigner/Okraj mal wieder ein DJ-Set dieser beiden Typen aus Washington, D.C. Die Beautiful Swimmers spielten eines ihrer bisher härtesten Sets, beständig über 120 BPM und ganz im Zeichen systematisch durchnummerierter, in den frühen Achtzigern gebauter Drumcomputer. So weit, so geil. Was aber passierte als sich dieses gequälte Vocalsample über die mit einer wissenden Lücken programmierte Bassdrum legte, um dann nach zwei Minuten in einer der unfassbarsten Synth-Spuren der letzten Jahre zu explodieren, würde jedem Summer Of Love-Klischee gerecht werden. Um euch an dieser Stelle weitere Bromance-Details zu ersparen, sei nur noch erwähnt, dass sich Aigner und Okraj – ganz Profis – direkt nach diesen viereinhalb Minuten geschworen hatten, jenen zu diesem Zeitpunkt noch unbetitelten Track eines Tages auf die Eins zu packen. Das ging, der Future Times Compilation Vibe 2 sei Dank, nun schneller als befürchtet. Und wir dachten, Legowelts Comeback Dust Remix wäre schon gut gewesen… ###EMBED:31666522:sc###

Wirklich beeindruckend mit welcher Virtuosität The Abstract Eye (2011 noch eher unter seinem hauptsächlich verwendeten Synonym Gifted & Blessed oder einfach GB bekannt) seinen Rolandfunk anno 2011 durch die Melodienschleife treibt. Während sein Busenkumpel Funkinven gerne mal zur diabolischen Hetzjagd ausholt oder den Kompressor bis zum Anschlag ausreizt, kontert GB mit anmutigem Analogfunk aus seinem opulenten Maschinenpark, der es in vortefflicher Manier versteht, die Essenz verschiedener Einflüsse zwischen Larry Heard, Cybotron oder Dâm-Funk zu tranchieren. Derlei Begabung mündete Mitte des Jahres im sagenhaften The Unseen, das die Fährte eines weiteren Idols aus der Motor City aufnimmt, das sich später auch noch in dieser Rangliste wiederfindet. Doch dazu mehr auf der Eins. ###EMBED:31666521:sc###

Bereits auf der 17 mussten wir eine Ode an Ital anzustimmen und werden es später noch einmal tun. Das Rampenlicht aber gehört 2011 gehörte aber ebenfalls seinem Mi Ami Bandkollegen Damon Palermo, der als Magic Touch ungeniert den frühen Neunzigern frönt und mit Clubhouse nun einen Tune programmiert hat, für den Lady Miss Kier damals getötet hätte. Ein super offensichtliches, aber gänzlich unironisches House-Piano, in bester MK-Tradition tranchierte Vocals von Honey Owens, naive Rave-Stabs, eine wundervolle Breakbeat-Exkursion, ein unprolliger Hands-In-The-Air-Breakdown, eine Synth-Melodie, die im Morgengrauen verpeilt aus der Hacienda gestolpert ist und ein völlig unerwartetes Postlude – hier passiert in sieben Minuten mehr als auf vielen Dancemusik-Alben. Und wem es immer noch nicht aufgefallen ist: 100% Silk avancierte spätestens mit dieser Veröffentlichung zum Blindkauf-Label. ###EMBED:31666520:sc###

Ein schlechtes Gewissen haben wir schon. Egal, was Floating Points veröffentlicht, das Apologeten-Team Okraj/Aigner steht brav bei Fuß, betont sofort, wie brillant dieser Typ all seine Einflüsse unter einen Hut bringt und dabei so unverwechselbar und eigenständig klingt. Für gewöhnlich wird dann hervorgehoben dass die Synth-Melodien so klingen, wie sich das vor 25 Jahren Larry Heard für das Jahr 2011 gewünscht hätte und dass es momentan keiner versteht, gleichzeitig so subtil und groovy zu sein wie Sam Shepherd. All das träfe auch wieder auf Arp 3, den Geniestreich seiner neuesten EP zu. Der auf 125 BPM beschleunigte, technoide Bruder des Semiklassikers Vacuum Boogie, der dessen Schwerelosigkeit ein Synth-Arpeggio hinzufügt, das sogar in der o2-Arena noch mächtig klingen würde, sich nach dem Klimax aber sehr schnell wieder in die Zwischenräume verabschiedet, um diesem unwiderstehlichen 4×4 Drumpattern nicht zu lange die Schau zu stehlen. Oder, wie Kollege Okraj neulich meinte: unfassbar, der Typ ist so ein Vollblutmusiker und produziert momentan über den Dingen. ###EMBED:31666519:sc###

Kollege(h) Aigner und ich, wir stehen einfach auf R&B. Sei es die Schmonzette aus den frühen Neunzigern (ja, auch die ohne obligatorischem Biggie-Feauture), aktuellem pathetischen Übermut des Herren Terius »Dream« Nash oder eben Robbie M’s unwiderstehlichen Schmuser I wanna be with you tonight, den Andrew Morgan, schätzenswerter Mann hinter dem mächtigen ReIssuelabel Peoples Potential Unlimited, 2011 auf 7inch unter die Leute brachte. Und siehe da: Hierbei handelt sich noch nicht einmal um eine Wiederveröffentlichung, sondern um aktuelles Material des Mitfünfzigers, dessen Erstlingswerk ebenfalls bereits in der Pipeline wartet. The music†˜s nice, the mood is right, I just wanna be with you tonight. Let the DJ play and the bodies sway, I just wanna be with you tonight. Erstaunlich, aber es sind doch zumeist die einfachen Dinge, die ausgesprochen werden müssen, auf die man reinfällt. Musik für Herz und Seele. Kein Wunder, dass dieser seelenruhige, rotgekleidete Pimp mit abgeklärter Gelassenheit gleich zwei Frauen gleicher Blutlinie bezirzt ###EMBED:31666518:sc###

Dass die basslastigen Engländer in letzter Zeit auch wieder vermehrt auf Vintage Drum Machines und den Acid-Squelch der TB 303 zurückgreifen, dürfte den wenigsten entgangen sein. Ob Joy Orbison, Blawan oder Dave Kennedy – der Post-Stepper von heute macht House-Jams mit Hilfe der Roland’schen Produktpalette aus den frühen Achtzigern. Von Anfang an einen Schritt weiter ging das Eglo-Signing FunkinEven, der Acid nicht nur zitiert, sondern umarmt, drygehumpt und ganggebangt hat. Und so gut seine bisherigen Maxis waren, diese hier schießt den Vogel ab. Ein unfassbar energetischer Throwback-Track, der dennoch absolut zwingend 2011 ist. Kaum sechs Takte gibt er uns Zeit, bevor er aus den alten und schweineteuren Fetischobjekten eine entfernt an das Mario Bros.-Theme angelehnte Melodie gegen offbeatige Rimshots und Claps kämpfen lässt, zur Mitte die Euphorie gekonnt in einem kurzen Break verschleppt, um dann derwischig zu schließen. So viele versuchen mit den gleichen MItteln die Unschuld der Pionierjahre zu beschwören, Funkineven hingegen bedient seine Geräte mit der gleichen Naivität wie die einstigen Fahnenträger und macht damit, ohne es zu wollen, all die anderen Kopierkatzen obsolet. ###EMBED:31666517:sc###

Natürlich ist das, was Jacques Greene tut, keine Atomphysik. Man nehme ein infektiöses Vocalsample, diese elegischen, aber immer sehr nach Rechner klingenden englischen Synth-Lines, packe einen trockenen Vintage-House-Groove drunter und fertig ist der Hit. Das war 2011 die Formel der meisten Late Teens, die vor Burial primär Timbaland und die Neptuns gepumpt haben. Was Another Girl aber von gefühlten 3000 anderen Tracks, die diesem Schema folgten unterscheidet, ist wie brillant Greene hier mit Melancholie und Euphorie jongliert. Ciaras auf ganz andere Art und Weise geniales Deuces wird hier zu einem gebrochenen Lamento, das sich mehr und mehr in den aufbrandenden Melodien aufzulösen droht und dennoch immer präsent bleibt. Wer einen Track so wissend aufbaut, ist gekommen um zu bleiben. ###EMBED:31666516:sc###

Nach dem ersten Hören von Ultra Thizz fällt es einem wie Schuppen von den Augen, warum die heutige Jugend alles weder knorke, noch geil sondern schlichtweg laser findet. Diese fluoreszierende Synth, die hier euphorisch Beifall klatschend angekündigt wird, ist nämlich dermaßen von Halluzinogenen durchleuchtet, dass sie keine Gefangenen macht und auf der Tanzfläche Jung und Alt gleichermaßen – Vorsicht, Lieblingswort – zerberstet. Und um gleich den soziokulturellen Link zur aktuell omnipräsenten Retromania-Debatte herzustellen: Natürlich bedient sich Rustie hier den aufgeladenen Gefühlen des Glam-Metals der Achtziger und schlägt gleich mehrere Haken zu Van Halen und co. Manche mögen das Future Vintage nennen. Oder wie es gleich der knackigste Soundcloud-Kommentar des Monats auf den Punkt bringt: »Next level vintage future made from some crystaline substance from space, designed to be listened to at full bass in a Cadillac Escalade with 5 15″ speakers. Dubstep is dead. This is next level vintage future. Thanks Rustie.« ###EMBED:31666515:sc###

Vorsicht, jetzt wird’s unfair: Während sich The Weeknd mit seinem dystopischen Designer-R&B binnen eines Jahres zum Hipster-Go-To-Guy mauserte, krebst eine gewisse Jhene Aiko ohne Plattenvertrag rum und darf an einem guten Tag vielleicht Kanyes Marmorkacheln schrubben. Dabei ist Stranger besser als alles, was The Weeknd je veröffentlicht hat. Weniger Koks-Koketterie, dafür aber schrilles Liebesleid über einen minimalistischen Beat, der klingt, als hätte sich Pharrell vor fünf Jahren der Swishahouse-Posse angeschlossen. Welche Spaßbremse hat eigentlich behauptet R&B wäre nicht ruff, ragged and raw? ###EMBED:31666514:sc###

Mit Candi Statons Acapella You got the love liegt man ohnehin auf der sicheren Seite, dafür gibt es in der Popgeschichte Beispiele zu Genüge.
Doch nicht nur dieses unverkennbare Stück Vocalgeschichte alleine macht Itals Saviour’s Love Megamix seiner Single Only For Tonight zu diesem dekorativen und hymnischen Farbspektakel Es ist die Synthese des bedeutungsschwangeren Vocals mit den vielen oszllierenden analogen Synthesizern, die melodisch das Seelenleben des Gesangs destillieren, der Sinne beraubt nach Liebe dürsten und benommen den Heiland heraufbeschwören. ###EMBED:31666513:sc###

Diese Synths! Auf mehrere Ebenen geschichtet entwickelt sich die eine gerade in Richtung Klimax, da nimmt schon die andere Anlauf. Von der dritten ganz zu schweigen. Zusammen ergeben sie diese Melodie, diesen lupenreinen Trance, der – selbst zur falschen Zeit gespielt – für spontane ekstatische Hormonausschüttungen zu sorgen imstande ist. Dazu die ausgefeilte Drumprogrammierung, die in ihrer Komplexität stets an Masters At Work erinnert. Die kapriziösen Hi-Hats peitschen im Verbund mit Omar-S’ neu entdeckter Leidenschaft für Congas den Track kompromisslos nach vorne. Weiter, immer weiter! Und da ist schon wieder die Synth. Ein Teufelskreis. Ein wahrlich diabolischer. ###EMBED:31666511:sc###

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