Cooly G – Im Rausch geschrieben, einfach so

02.08.2012
Cooly G überrascht mit ihrem Debüt auf Hyperdub mit einer non-chalanten Produktion, die ihren Rap Roots zu entliehen scheint, auch wenn ihre souligen Vocals über rauschende Bass Music fliegen und sie sich dem Hip Hop abgewendet hat.

Sicherlich bietet es sich über beim Debüt von Cooly G, das dieser Tage bei Hyperdub erschienen ist, einen ganzen Korb Genre, v.a. der britischen Bass-Geschichte, auszuschütten – man wird nicht müde zu zitieren, was da alles zu hören ist. Cooly G hat sich schließlich über die Jahre vor allem als DJ und Remixer einen Namen gemacht und die 30-jährige Londonerin verschleiert auch auf ihrem »Playin’ Me« – spätestens beim Coldplay-Cover »Trouble« – nicht die Fülle an Referenzen, aus der sie schöpft. Wenn man dem Album dann aber diesen konzeptionellen Überbau, dieses »exploring of British bass music«, wie es der Guardian beschrieben hat, unterstellt, verleumdet man das Album und verpasst den tatsächlich spannenden Moment an diesem überraschendem Debüt. Denn Cooly G’s rauschhafte Arbeitsweise lässt solch einen konzptuellen Ansatz kaum zu. Während sie auf ihren bisherigen Singles und Remixen, so sagt sie, noch ganze Vocal-Tracks in kleine Stücke zerhackt hätte, habe sie die diesmal einfach so belassen wie sie waren. Ansonsten aber hat sich ihre Arbeitsweise kaum geändert: »Im Prinzip mache ich eine Melodie, ich mache einen Beat und ich singe sofort darüber, dann singe ich die Backings, mache die Harmonien sofort, misch das Ganze, Plug-Ins, Was-auch-immer, Bam, Bam, Bam – alles fertig – in kaum mehr als einer Stunde, das war’s. Es ist nicht allzu dramatisch für mich.« Es ist eine Zwischen-Tür-und-Angel-Technik, wenn man so will, denn sämtlche Produktionen macht sie mit Hilfe von Logic und ein paar Controllern zu Hause: »Ich habe nicht viel Zeit das zu machen, also versuche ich zu machen, was ich in der kurzen Zeit machen kann. Was auch immer gerade in meinem Kopf ist, ich singe es einfach heraus und mache ein paar Overdubs und – ja, ich bin sehr glücklich damit.«

Direkt aus dem Kopf, was sie fühlt, was sie denkt, das was gerade eine Notwendigkeit hat, das was gerade der Vibe ist. Die Musik bekommt bei Cooly G keinen profesionellen Platz, sondern schleicht sich rein und auch ganz schnell wieder raus aus dem Leben, ein kurzer Rausch, der am Ende immer eine temporäre Bändigung ist. Der Track »It Is Gone« ist in vielerei Hinsicht Blaupasue für diese Arbeitsweise – im Rausch geschrieben, wie von einer Fremden. »Ja, das passiert mir ständig, dass ich denke: Oh mein Gott, war ich das? Besonders bei ›It Is Gone‹. Ich erinnere mich an die Nacht, meine Familie und ich waren am lachen lachen lachen, wir hatten ganze Lachanfälle. Und ich habe den Tune schnell gemacht, während wir weiter Witze rausgehauen haben. Und am Ende kam der Track dabei heraus und ich habe es erst in den Tagen danach verstanden und dachte: What the fuck, wow, das klingt verrückt. Oft passiert das einfach so.«

»Und jetzt mach ich mein Ding und es ist auf seine Art leicht und mühelos.«

Cooly G
So ist auch das Coldplay-Cover, das Kritiker zu polarisieren scheint, an solch einem Abend zu Hause entstanden, ohne dass sie genau sagen könnte, warum gerade dieser Song, warum auf diese Art. Es ist als wäre sie angesprungen von einem Sound, einem Track, einer Melodie, einer Zeile und würde dann reagieren. Und diese Reaktion, diese Reaktionskette, diese »Reise«, wie sie sagt, das ist »Playin’ Me«. Und vielleicht nicht von ungefähr erinnert diese Arbeitsweise an den Freestyle des Raps, lässt sich diese Non-Chalance (zwar bei ihr ohne Attitüde, aber dafür mit einer gehörigen Portion Realness) im Hip Hop und Soul verorten: »Ich habe angefangen aufzulegen, da war ich sieben, ich wollte immer Platten spielen, wenn ich welche gesehen habe und mein Vater und mein Onkel hatten das passende Sound-System. Und dann fing ich zu singen an, einfach über all die Soul-Musik. Und später war ich MC, ich hab das alles durch, und mit 16 fing ich an deepy grimy beats zu machen. Erst später, als ich die femininere Seite an mir entdeckte, mit 20, 21, hab ich dem Rap den Rücken gekehrt. Und jetzt mach ich mein Ding und es ist auf seine Art leicht und mühelos.«

Effortless. Selten hat dieses Attribut so einen wertschätzenden Beiklang gehabt wie im Fall dieses Debüts. Und so bleibt auch Cooly G stets Bewunderin ihres eigenen Outputs, eine Bewunderin von Musik und Sounds, angstlos und mit einer Lässigkeit, die ihr selbst manchmal fremd ist. Mit »Playin’ Me« – der Titel deutet es schon an – ist es ihr gelungen, ihre Leidenschaft an den Plattentellern auf beeindruckende Art und Weise in ihren eigenen Kompositionen zu bannen. Denn Musik zu spielen, aufzulegen, das ist immer noch ihr Lebenselexier – nicht aufzulegen, wäre so, wie morgens keinen Tee zu trinken, sagt sie. Alles andere passiert dann ohenhin ganz nebenbei.