The Fine Line – »While you’re fucking some dusty old chair…«

13.03.2013
Foto:Grashina Gabelmann
In »The Fine Line« nehmen wir eine Textzeile, einen Wortfetzen und suchen in ihm und von ihm ausgehend nach einer Geschichte. Manchmal ist es nur eine Anekdote, aber manchmal eine ganze ungeahnte Welt. Es ist ein schmaler Grat.

»While you’re fucking some dusty old chair, I’ll be eating bananas and riding a big black stallion« (EDDI FRONT)

Ein Mädchen mit einem Jungennamen. Ein Jungenname in Großbuchstaben. EDDI FRONT. Der Name signalisiert ein dreistes, schrilles und rücksichtsloses Mädchen. Blickt man hinter den Namen, dann wird man von einem traurigen Klavier zu einer schwarz-weißen Chanteuse mit einer düsteren, Espresso-gebeizten Stimme geleitet. Ihre Seele zeigt Abdrücke alkoholdurchtränkter Speakeasynächte und einsamer Fahrten durch purpurfarbene amerikanische Landschaften.

EDDI FRONTs Fertigkeiten im Bauen und Aufnehmen von Songs sind pur und auf ein nacktes Minimum reduziert: Ein eindringliches Klavier, vielleicht eine träge Akustikgitarre und FRONTs neblige Stimme. Mehr nicht. Auf der anderen Seite treffen einen die Texte mit voller Kraft. Manchmal reißen sie dich fies aus etwas heraus, was ein Wiegenlied hätte werden können. Ihre Stimme, rein und alt, und ihre Texte, widerspenstig und aktuell, schaffen einen unverwechselbaren Gegensatz. Während das Klavier und die Stimme eine Schwarz/Weiß-Szenerie gemalt haben, peitschen ihre Texte plötzlich einen Spritzer Farbe durch die Soundlandschaft. »I’ll be eating bananas…« fügt ein cartoonhaftes, fettes Gelb hinzu. »While you’re fucking some dusty old chair…« – malt Braun-, Gold- und Beigetöne. EDDI FRONT streift auf Zehenspitzen die Grenzen des Bedenklich-Aggressiv-Seins, doch am Ende ihrer Songs bleibt sie stattdessen mit gebrochenem Herzen zurück. Mit gebrochenem Herzen, wenn auch nicht hilflos; sie zwingt sich ihre kleinen Tränen zu trocknen, ihren Mascara in Ordnung zu bringen und liefert ein komisches, buntes »Fuck you« durch ihren nun funktionslosen Brautschleier.

Hier gilt der Gedanke des amerikanischen Kunstkritikers und Dichters Peter Schjeldahl: »Black and white can show what something is. Colour adds how it is, imbued with the temperatures and humidities of experience.«

In »The Fine Line« nehmen wir eine Textzeile, einen Wortfetzen, einen kurzen lyrischen Impuls und suchen in ihm und von ihm ausgehend nach einer Geschichte, spüren einem Gedanken nach. Manchmal ist es nur eine vage Assoziation, eine Anekdote. Aber manchmal führt diese kleine Zeile auch viel weiter, in Abgründe und Tiefen und hinter ihr verbirgt sich dann eine ganze ungeahnte Welt. Es ist ein schmaler Grat.