Review

K. Leimer

Music For Land And Water

Les Giants • 2018

1970 attestierte Alvin Toffler der westlichen Gesellschaft einen »future shock«. Die Welt, so der Zukunftsforscher, drehe sich zu schnell und niemand käme mehr dem Kommenden hinterher. Dass Kerry Leimer neun Jahre brauchte, um seine ersten Veröffentlichungen an die überstresste Öffentlichkeit zu bringen, ist da wohl psychohygienisch nur verständlich und dass er seit einigen Jahren ein Revival erlebt, hat mit einer aktuelleren Gegenwartsdiagnose zu tun: »present shock« lautet die und wurde 2013 von Douglas Rushkoff ausgesprochen, ein Jahr also, bevor das Label RVNG Intl K. Leimer mit »A Period Of Review« eine große Retrospektive widmete. Derweil die New Age-Musik von damals als doppeltes Netz für alle diente, die angesichts einer überwältigenden Zukunft hintenüber fielen, dehnt sie mittlerweile die komplett fragmentarische Zeiterfahrung unserer unendlichen Gegenwart ein kleines bisschen aus, damit wir zumindest ein bisschen Halt in entzeiteten Zeiten finden. New Age schafft Feierabendfeelings dort, wo nach dem Abendessen immer noch drei Arbeitsmails auf ihre Antwort warten. »Music For Land And Water« erschien im Koks-Jahrzehnt und wird nun 35 Jahre später im Ritalin-Jahrzehnt neu aufgelegt, um als Hausmittel dem überspannten Nervenleben entgegen zu wirken. Der Titel verrät schon die Nähe zu Brian Enos Ambient-Bollwerk, die zarten minimalistischen Klaviertupfer und Gitarrenzupfer schielen aber auch nach Japan, wo Hiroshi Yoshimura und andere ebenfalls um 1983 herum ähnlich rundpolierte Klänge übereinander laufen ließen, welche die Wogen eher glätten als noch weiter aufwühlen sollten. Kein Wunder also, dass auf das 28-minütige »Art and Science« zwei Stücke mit den Titeln »Go Slowly« und »Very Tired« folgen: K. Leimer machte damals schon Musik als Notbremse, heutzutage legt er damit den Rückwärtsgang ein. Der einzige Trost an dieser Entwicklung ist wohl, dass dabei wundervolle Musik neu erfahrbar gemacht wird. Aktueller war sie schließlich nie.