Review

Wilson Tanner

II

Efficient Space • 2019

Aller Entspannungsübungen zum Trotz bleibt der Stress allgegenwärtig. Obwohl Yoga, Saunen, Beautyprodukte und healthy lifestyle Hochkonjunktur feiern und immer mehr Menschen die Knete, die sie verdienen, direkt wieder in geistige und körperliche Verwehung stecken, stets um zu vergessen, dass sie dafür gerade noch gearbeitet haben, merkt man die strapazierten Körper und Köpfe an jeder Ecke. Dabei ist die Formel für ein freies Leben doch so einfach: Heute Disco, morgen Umsturz, übermorgen Landpartie. Den ersten Schritt darf man dabei gerne mit dem neuen Langspieler des Duos Wilson Tanner machen. Das unschlagbare New-Age-Tandem Andrew Wilson, gelegentlich auch Andras Fox, und John Tanner aka Eleventeen Eston gräbt schon seit über fünf Jahren an den Synthpotis um eine gewisse Ruhe in die Hörerschaft zu injizieren. Ob auf Not Not Fun oder Growing Bin finden sich immer wieder diese Electronica-Kleinode, die gepaart mit Samples aus der großen, weiten Welt des pastoralen Lebens (Zirpen, Geplätscher, Tierrufe) dem gemeinen Großstädter die Schultern und das Hirn massieren. »II«, der Nachfolger von »69« ist dennoch nicht bloß eine weitere Ausschlachtung des eigenen Erfolgrezepts, sondern kompositorisch ein großer Schritt. Das Nabelstück »Killchord Pts I-III« zeigt in gekonnt mäandernder Form, was Musik alles kann: temporale Verschiebungen, rhythmische Spaßgymnastik, intellektueller Genuss. Dies paart man diesmal mit großen Emotionen, schön versteckt zwischen all den gefälligen Chill-Sounds. Denn auch New-Age darf und kann mehr sein als bloß Oberfläche. Vielleicht reicht es schon diesmal zum Soundtrack einer kommenden, entspannten Gemeinschaft.

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Wilson Tanner
II
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