Review

Issam Hajali

Mouasalat Ila Jacad El Ard

Habibi Funk • 2019

Fast vergessen scheinen heute die Zeiten zu sein als der Libanon ein freies, befreites Land war mit kultureller Vielfalt und weitem Freizeitangebot. Europäische Hippies, Existenzialisten und Geschäftsleute zog es immer wieder bis in die 1970er Jahre nach Beirut, was Liabnons Hauptstadt auch den Beinamen »Paris der Levante/des Nahen Ostens« bescherte. Doch 1976 usurpierte Syrien den Libanon und ein etwa 15 Jahre langer Bürgerkrieg brach aus. Dies führte 1977 zu flüchtenden Menschen und Exilanten. Einer unter diesen war der Songwriter Issam Hajali, der zumindest für 13 Monate ins Exil nach Paris ging. Der frankophone Libanese war zwar notorisch klamm, was ihn zu ausgeprägten Live-Sessions als Metro-Musiker zwang, doch hatte größeres im Sinne. Mit genügend Geld für einen Studiotag, buchte er sich ein und produzierte dort – zusammen mit befreundeten (Straßen-)Musikern aus dem Libanon, aus Paris, aus dem Iran – die Roh-Aufnahmen für sein Debüt. An diesen feilte er daraufhin noch weitere zwei Jahre und produzierte 100 Kassetten mit selbstkopiertem Cover. Damit hätte »Mouasalat Ila Jacad El Ard« auch für immer verschwinden können. Doch Issam Hajalis künstlerische Karriere ging weiter, zurück in die Heimat, und mit der Band Ferkat Al Ard entstand »أغنية« (übersetzt: Lied) – eine Platte, die auf Tauschbörsen auch gerne im mittleren vierstelligen Bereich gehandelt wird. Der Hype um das Bandprojekt ermöglicht es dem Label Habibi Funk sogleich auch den Scheinwerfer vorsichtig Richtung Solo-Werk zu lenken. Pünktlich zum libanesischen Nationalfeiertag erscheint also »Mouasalat Ila Jacad El Ard« endlich auf Vinyl. Das Album eröffnet mit dem fast 12-minütigem Arab-Folk-Stück ›Ana Damir El Motakallim‹, das hinter der Gitarre und dem Gesang von ISsam Hajali ordentlich Jazz versteckt. Hier verbindet er gekonnt Funk-Einflüsse der Orgel, mit französischem Chanson und arabischen Songwriting. »Lam Asal« hingegen klingt nach Simon & Garfunkel auf einem psychedelischen Trip und das ganz hervorragende »Yawma Konna« zaubert auf 4:34 Avantgarde-Jazz und multitonale Saitenstimmung zusammen wie man es eher von aktuellen »multi-kulturell« orientierten Symbiosen kennt. Ein ganz besonderes Zeitzeugnis, das mal wieder vor Augen hält, dass man schonmal viel weiter war.