Review

Piero Piccioni

OST Il Dio Sotto La Pelle

Musica Per Immagini • 2020

Was müssen das für Zeiten gewesen sein, damals 1974, als noch der kleinste Dokumentarfilm mit den schönsten Songperlen versehen wurde. Zum Beispiel »Il Dio Sotto La Pelle« von  Folco Quilici und Carlo Alberto Pinelli, der sich auf die Spur von Menschen begibt, die die Zivilisation ablehnen, um sich in Natur und Frieden zurückzuziehen. Der Soundtrack stammt von Piero Piccioni neben Piero Umiliani der andere große Piero der italienischen Filmmusik. Er wurde erstmals 2000 auf Schallplatte veröffentlicht, Musica Per Immagini legt ihn jetzt neu gestaltet abermals auf. Er beginnt mit »It’s Possible«, einem dieser Songperlen, in dem die damals 24-jährige Catherine Howe das ursprüngliche Vergnügen besingt, durch die Natur zu streifen und in dieser Erfahrung das reine Gefühl von Liebe zu empfinden. Der Text ist natürlich reinste Mondscheinromantik, aber Piero Piccioni geht mit einer Variante des hot buttered soul dazwischen, dessen Breaks die vermeintliche Aussage »It’s Possible« nur als Möglichkeit, dessen Hall sie nur als Träumerei erklingen lassen. Und so geht’s weiter: Piero Piccioni schrammt gekonnt am Kitsch vorbei, was sich durchaus als ironischen Kommentar auf die Tagträumer hören lässt. Sonst könnt er den Kitsch ja zulassen. Wird die Hörerfahrung zu easy, streut er Jazzakkorde ein, droht man im Loungekissen zu versinken, wird’s entweder atonal oder funky. Manchmal ist die Dosierung zu perfekt. Und hinten raus wird’s redundant. Aber was soll’s, ich ziehe mir jetzt die Socken aus und renne barfuß über eine Wiese.