Review

Ben Westhoff

Dirty South

Chicago Review Press • 2011

»With the ever mounting forces of riddiculus dances, ignorant behavior, and general buffoonery it’s only a matter of time before hip hops permanent annihilation.« Zwischen den Zeilen gelesen, machte Nas hier, für seine im Albumtitel Hip Hop Is Dead verewigte Statusansage, den Südstaatenrap verantwortlich. Die Westküste hatte ebenfall ein paar böse Worte für den neuen Sündenbock übrig: Ice-T bezichtigte Internet-Phänomen Soulja Boy, den Hip Hop »single handedly« umzubringen. In Wahrheit überbaten die Verkaufszahlen der mit Planitum Grills, Rims und Diamond Chains beladenen Südstaatenrapper zu Beginn der 2000er bei weitem die der eingeschlafenen Wasserkanten und kratzten an der Autorität der Rap-Urväter. Ben Westhoff machte sich in seinem alten Hyundai auf den Weg durch die Südstaaten von Atlanta bis Memphis, um für sein Buch Dirty South das für den moralischen Untergang der HipHop-Kultur herangezogene Phänomen Southern Rap von Grund auf zu beleuchten. Mit der Sicht eines traditionellen Reporters aus St. Louis, ausgestattet mit stählernen Nerven, dringt der Journalist bis in die inneren Kreise und erforscht den Geist und den Antrieb des Dirty South von den Durchbrüchen der 2Live Crew und den ersten Slang-Releases der Geto Boys bis hin zu neueren Erscheinungen wie T-Pain und Gucci Mane. Mit Luke Campbell wird standesgemäß eine wilde Hausparty gefeiert, Houstons Trae lässt im Stripclub Geldscheine regnen und Soulja Boy trägt bei Mc Donald’s eine Million Cash mit sich herum. Westwood geht an die Anfänge der selfbuild Hitlabels, Master P’s No Limit und Cash Money, die Ghettokids wie Lil Wayne ins Gangstas Paradise führten und deren Herrschaft über ein Jahrzehnt andauerte. Die dunkle Seite der millionenschweren Industrie wird durch Drogengeschichten wie bei Houstons Rap-A-Lot, Scarfaces Visionen aus der Psychiatrie und nicht zuletzt durch Rapper wie Pimp von UGK und Soulja Slim, die Opfer ihrer eigenen Exzesse wurden, thematisiert. Dabei enthüllt Westwood einige unbekannte Details der Szene über die jahrelange Allianz zwischen Rap-A-Lot und Death Row, die Beziehung zwischen Big Boi und Dre oder Lil Jons Zeit als Rastafari. Der Autor stolpert leider stellenweise über sein Vorhaben, die Diskrepanz zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit im Dirty South aufzudecken. Das letzte Kapitel behandelt Gucci Mane, der wegen Mord und Drogenhandel im Knast war und dessen vermeintlich chauvinistischen Texte Westhoff mit den Worten rechtfertigt, Rap müsste nicht zwangsläufig intellektuell sein. Jeder, der Südstaatenrap als zu simpel abfertige, treffe nicht den Punkt. Am Ende katapultiert er sich sich mit der Aussage, man dürfe Rap nicht überanalysieren, selber ein wenig ins Aus, denn genau das passiert doch in diesem Buch. Dirty South liefert ein Gesamtbild der viel gehassten Szene und geht dabei weiter ins Detail als die Musik selber.

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