Review

Flying Lotus

You’re Dead!

Warp • 2014

Immer diese Latenz! Irgendwann holt einen das Verdrängte eben doch ein. Man mag sich noch so lange dagegen wehren, am Ende siegt das, was schon früh in einem angelegt war. Bei Steven Ellison alias Flying Lotus sieht die Sache vielleicht nicht ganz so dramatisch aus, in seiner Musik gibt es lediglich eine zunehmende Öffnung zum Jazz. Was bei ihm zugleich eine wachsende Auseinandersetzung mit dem Familienerbe bedeutet. In seiner Jugend hatte der Großneffe von Alice Coltrane zunächst Saxofon gelernt, bis ihm die Sache mit der Jazz-Verwandtschaft etwas zu heiß wurde – seine Großtante war eine berühmte Free Jazz-Pianistin und mit John Coltrane verheiratet – so dass er sich lieber an den Rechner zurückzog. Jazz-Elemente integriert Steven Ellison zwar spätestens seit »Cosmogramma« in seine eigenen Produktionen, doch bildeten sie bisher eher einen Nebenstrang in seinen hybriden Gewächsen. Auf »You’re Dead!«, dem fünften Album als Flying Lotus, bestimmt der Jazz nicht nur weitgehend das Vokabular der Platte, er ist auch in Stimmung und Groove vorherrschend. HipHop gehört immer noch zu den Konstanten seines Stils, und die Nummern, in denen er von Stars wie Snoop Dogg oder Kendrick Lamar unterstützt wird, gehören zu den Höhepunkten des Albums. Sie wirken aber diesmal wie Inseln in einer großformatigen Jazz-Suite, die gelassen und oft traumartig dahinfließt. Bedrohlich klingt diese Reise ins Jenseits höchstens in ihren Anfangstakten mit den grollenden Streichern. Dann übernehmen Kollegen wie Bassist Thundercat dem es gelingt, Hektik und Entspannung miteinander zu vereinen, dazwischen die für Flying Lotus typischen grandiosen Schlurf-Beats. Steven Ellison schafft es dabei erneut, sich weiter zu entwickeln und sofort erkennbar zu bleiben, Latenz hin oder her.