Review

Karen Gwyer

Prophase

Don't Be Afraid • 2016

Es gab in den letzten Jahren irrsinnige Wechselbewegungen zwischen experimentellem Nischennerdismus und konventioneller Clubmusik. Wanderungen von der einen auf die andere Seite gab esmitzuerleben, seltener aber pendelte sich jemand in der Mitte ein. Karen Gwyer hingegen gelingt dieser Spagat nun seit einiger Zeit mit einem aus der Live-Situation heraus entwickelten Entwurf, der einerseits noch genug Dance Music-Geschichtlichkeit in sich trägt und andererseits amtlich weird klingt. Nach Releases auf No Pain In Pop, (natürlich) Opal Tapes, Nous und zuletzt Alien Jams heuert die in London lebende US-Amerikanerin nun bei Don’t Be Afraid an, einem eher klassisch aufgestellten Imprint für Plattentaschenfutter. Motto: »Thanks to all DJs who pump our shit. Fuck all the rest.« Nach Gwyers »Prophase« werden sich nun allerdings einige DJs ficken müssen. Der Opener trägt zwar einen blubbrig-melancholischen Berlin-Techno-Sound in sich, wie er Mitte und Ende der Nuller Jahre von Bpitch vertrieben wurde, daneben holzt aber eine Kick plump umher. »Prophase Metaphase Anaphase Telophase« staucht im Titel einiges an Prozessualität zusammen und klingt entsprechend nach einem Mixing-Unfall – anfangs. Das Gegen- und Durcheinander von haspelnder Hi-Hat, freidrehenden Sequenzen, wabernden Flächen und trockener Taktangabe findet ein Beisammensein und geht letztlich in einem wunderbaren Miteinander auf. Wie Gwyer das schafft, ist ein Rätsel. Nach einem irgendwie recht egalen Sounddesign-Einminüter findet die EP mit »Meiosis Gametes« ihren schleppenden Höhepunkt. Auch hier geistern wieder Flächen durch den Raum und über kantige Rhythmen hinweg, das allerdings auf Niedriggeschwindkeit. Wäre auf +8 gespielt ein verspulter House-Track, bezieht so aber seine eigenartige, fast drexciyanische Magie zuvorderst aus dieser liebevollen Querstellerei. Diejenigen DJs, die sich dazu nicht ficken wollen, spielen ihn als neunminütigen Klammerblues auf. »Prophase« steht in der Mitte von allem und ist zugleich far, far out.