Review

Brian Eno

Reflection

Warp • 2017

Jeder einzeln stehende Ton auf »Reflection« hat nahezu endlos Zeit, sich zu entwickeln, bevor der nächste einsetzt und den vorherigen überlappt. Es sind elektronische Klänge, die an ein Cello, Glockenspiel oder Vibraphon denken lassen. Bässe, hohe klare Töne oder schwebende Flächen werden vorsichtig nur lose verknüpft, mehr Soundinstallation als traditionelles Musikstück. Musik zum Nachdenken, Entspannen, zur Selbstreflektion oder einfach zum Schlafen. Musik, die einfach »da« ist. Musik, die sich laut Brian Eno durch den Namen »Ambient« von Stücken abgrenzt, die eine feste Länge haben und aus rhythmisch verbundenen, ineinander verzahnten Elementen bestehen. »Reflection« hat keinen musikalischen Spannungs-Aufbau und dementsprechend keine Hoch- und Tiefpunkte; es fließt sanft und warm und behaglich. Das mag mancher langweilig finden, in Wirklichkeit ist dieses Ausdünnen, Verlangsamen und Reduzieren von (Klang-) Ereignissen in Zeiten von maßloser Reizüberflutung und Nachrichten im Sekundentakt einfach nur konsequent und zeitgemäß wie vielleicht keines seiner Ambient-Alben der letzten vierzig Jahre vorher. Musik, die den Hörer nahezu provoziert, über Erlebtes nachzudenken und zu reflektieren. Technisch gesehen ist »Reflection« ein Ausschnitt einer durch Algorithmen berechneten unvorhersehbaren Softwarekomposition, die sich praktisch endlos weiterschreibt und dementsprechend lange weiterlaufen könnte. Musikalisch ist es ein wirklich gelungenes Album, völlig unkitschig und jenseits jeglicher New Age-Esotherik-Ästhetik.